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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kündigung wegen Beleidigung eines Kollegen als „Bastard“

Kündigung wegen Beleidigung eines Kollegen als „Bastard“

Die Beleidigung eines Arbeitskollegen als „Bastard“ kann eine ordentliche Kündigung auch dann rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer zuvor nicht einschlägig abgemahnt wurde. Einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) steht es nicht entgegen, wenn der Arbeitgeber, der über keine besseren Kenntnisse verfügt, die sich aus der Steuerkarte des Arbeitnehmers bzw. aus ELStAM ergebenden objektiv unzutreffenden Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers mitteilt, ohne weitergehende Ermittlungen anzustellen. Das stellt keine unzulässige Benachteiligung von Frauen dar.

Eine verheiratete Mitarbeiterin mit zwei Kindern war seit 2009 als Verkäuferin bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. In dem Betrieb beschäftigt die Arbeitgeberin mehr als zehn Arbeitnehmer vollzeitig. In den Jahren 2014 und 2016 erhielt die Mitarbeiterin von ihren Vorgesetzten überdurchschnittliche Bewertungen des Arbeits- und Sozialverhaltens. Im Jahr 2018 sprach die Arbeitgeberin gegenüber der Mitarbeiterin dann eine Abmahnung aus und im Jahr 2019 erteilte sie der Mitarbeiterin insgesamt drei Abmahnungen. Mit der Abmahnung vom 16.05.2019 beanstandete die Arbeitgeberin sowohl Kassendifferenzen als auch unangemessenes Verhalten der Mitarbeiterin gegenüber Kunden und anderen Mitarbeitern.

Am 14.12.2019 kam es, als die Mitarbeiterin zum Dienst erschien, zu einer Kollision mit dem Zeugen B., der zu diesem Zeitpunkt einen Karton auf seiner Schulter trug. Der Zeuge ist Mitarbeiter im Verkauf bei der Arbeitgeberin. Danach führte die Mitarbeiterin mit ihm ein Streitgespräch im Pausenraum. Die Arbeitgeberin behauptete, die Mitarbeiterin habe den Zeugen beleidigt, indem sie ihn u.a. einen „Bastard“ nannte. Die Mitarbeiterin begab sich nach den Ereignissen im Pausenraum in das Büro der Teamleitung, um sich zu beschweren. Sie führte ein Gespräch mit dem stellvertretenden Teamleiter im Beisein des Zeugen C., wobei die Mitarbeiterin ihre Erwartung äußerte, dass es für den Zeugen B. Konsequenzen gebe. Der Zeuge C. ist Mitarbeiter der Arbeitgeberin und Betriebsratsmitglied; er war während der Auseinandersetzung zwischen der Mitarbeiterin und dem Zeugen B. im angrenzenden Lagerbereich tätig.

Mit Schreiben vom 06.01.2020 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aus personen- und verhaltensbedingten Gründen zu kündigen. Der Betriebsrat hat dem zugestimmt. Mit Schreiben vom 08.01.2020 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 30.06.2020. Hiergegen erhob die Mitarbeiterin Kündigungsschutzklage. Sie hielt die Kündigung sozial ungerechtfertigt.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Da die Auseinandersetzung im Rahmen eines Vieraugengesprächs erfolgt und von den Kunden nicht bemerkt worden sei, habe keine erhebliche Pflichtverletzung vorgelegen, die ohne den vorhergehenden Ausspruch einer Abmahnung eine Kündigung hätte rechtfertigen können. Auf die Berufung der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis war durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 08.01.2020 zum 30.06.2020 beendet worden. Die Kündigung war rechtswirksam.

Die Mitarbeiterin hatte ihre vertragliche Rücksichtnahmepflicht massiv verletzt, indem sie den Zeugen B. am 14.12.2019 in grober Weise beleidigt hatte. Die Mitarbeiterin hatte im Pausenraum gegenüber dem Zeugen B. erklärt, er habe keine Erziehung genossen und seine Eltern hätten ihn falsch behandelt. Sie nannte den Zeugen zudem einen „Bastard“. Dieser Sachverhalt stand zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme fest. Die Beleidigung eines Arbeitskollegen als „Bastard“ kann eine ordentliche Kündigung auch dann rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer zuvor nicht einschlägig abgemahnt wurde. Denn dabei handelt es sich um eine besonders schwere Beleidigung. Mit dem Schimpfwort hatte die Mitarbeiterin den Zeugen B. als unterwertigen Menschen von illegitimer Abstammung bezeichnet. Das stellt eine gravierende Ehrkränkung dar. Aufgrund der Abmahnung vom 16.05.2019 hätte der Mitarbeiterin klar sein müssen, dass die Arbeitgeberin Beleidigungen von Mitarbeitern als arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen ansieht und nicht duldet. Dabei war nicht entscheidend, ob diese Abmahnung in formaler Hinsicht zu beanstanden ist und ob der Mitarbeiterin gegebenenfalls ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zustünde. Insoweit war das Arbeitsverhältnis nicht unbelastet.

Die Kündigung war auch nicht unwirksam gem. § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG sich auf die Angaben bezieht, die sich aus der Steuerkarte des Arbeitnehmers bzw. aus ELStAM ergeben (im Anschluss an Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.11.2005, Az. 2 AZR 514/04), sofern der Arbeitgeber diese Bezugnahme hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt. Einer ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG steht es nicht entgegen, wenn der Arbeitgeber, der über keine besseren Kenntnisse verfügt, die sich aus der Steuerkarte des Arbeitnehmers bzw. aus ELStAM ergebenden objektiv unzutreffenden Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers mitteilt, ohne weitergehende Ermittlungen anzustellen. Das stellt keine unzulässige Benachteiligung von Frauen dar.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 20.01.2022

Aktenzeichen: 18 Sa 645/21