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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Urlaubsanspruch: Norm im TVöD ersetzt nicht die Kürzungserklärung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG

Urlaubsanspruch: Norm im TVöD ersetzt nicht die Kürzungserklärung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG

Die Tarifnorm des § 26 Abs. 2c Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) enthält oder ersetzt nicht die nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) erforderliche Erklärung des Arbeitgebers, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausüben, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen.

Eine ehemaliger Arbeitnehmerin des öffentlichen Dienstes verlangte von seinem ehemaligen Arbeitgeber die Zahlung von Urlaubsabgeltung für die Jahre 2017 bis 2019, obwohl er in diese Jahren in Elternzeit befunden hatte. Der Arbeitgeber argumentierte, die Urlaubsansprüche seien wegen der Elternzeit auf Null gekürzt worden. Die arbeitsvertraglich in Bezug genommene Norm des § 26 Abs. 2c TVöD sei dahin auszulegen, dass er die nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für die Ausübung der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers erforderliche Willenserklärung bereits enthalte. Nach ihrem Wortlaut verringere sich der Urlaubsanspruch für jeden Monat eines ruhenden Arbeitsverhältnisses automatisch, so dass es dafür einer weiteren Erklärung des Arbeitgebers nicht bedürfe. Dies sah die Arbeitnehmerin anders. Sie meinte, der Arbeitgeber könne das Kürzungsrecht des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nicht vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen, ausüben. Außerdem könne das Kürzungsrecht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG nur im laufenden Arbeitsverhältnis durch Erklärung des Arbeitgebers ausgeübt werden. Die Vorschrift sei nicht tarifdispositiv.

Anders als noch das erstinstanzliche Arbeitsgericht gab das Landesarbeitsgericht in der Berufungsinstanz der Arbeitnehmerin Recht und verurteilte, den Arbeitgeber zur Zahlung  von 13.471 EUR brutto Urlaubsabgeltung für die Elternzeitjahre.

Die Klägerin hat Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Jahre 2017 bis 2019 in der geltend gemachten Höhe, da der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch der Mitarbeiterin nicht durch eine Erklärung gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für die Dauer der Elternzeit gekürzt hatte. Die Tarifnorm des § 26 Abs. 2c TVöD enthält oder ersetzt nicht die nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG erforderliche Erklärung des Arbeitgebers, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Dem stehen die auch durch Tarifvertrag nicht abdingbaren Regelungen gem. §§ 1, 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) entgegen. Entfiele der Anspruch auf Erholungsurlaub für die Elternzeit schon kraft der Tarifnorm, so wäre dies für den Arbeitnehmer ungünstiger als die gesetzliche Regelung, weil der Mindesturlaub nach § 3 Abs. 1 BUrlG unterschritten würde: Vorliegend könnte die Mitarbeiterin auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG keinen Urlaub beanspruchen. Dieses Ergebnis wiche zu ihren Lasten von § 3 Abs. 1 BUrlG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG ab, wonach für die Elternzeit in Ermangelung einer Kürzungserklärung Anspruch auf den Mindesturlaub besteht.

Auch soweit der Urlaubsanspruch den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt, enthält oder ersetzt § 26 Abs. 2c TVöD nicht die Kürzungserklärung des Arbeitgebers gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Der Gesetzgeber unterscheidet dort nicht zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und dem diesen übersteigenden Anspruch, sondern spricht einheitlich von „Erholungsurlaub“. Auch Sinn und Zweck der Norm sprechen gegen eine Differenzierung. Die gesetzliche Kürzungsbefugnis vermeidet ein Ansammeln von Urlaub gegen den Willen des Arbeitgebers für Zeiten, in denen die Arbeitspflicht elternzeitbedingt ruht. Ein Arbeitgeber hat es für alle Bestandteile des Erholungsurlaubs gleichermaßen in der Hand, eine wirksame Kürzungserklärung abzugeben, sofern und soweit er Urlaub für die Elternzeit nicht gewähren möchte. Für eine Aufspaltung des Anspruchs in Mindest- und sonstigen Erholungsurlaub besteht daher keine Notwendigkeit. Die Norm des § 26 Abs. 2c TVöD lässt sich letztlich auch nicht als schon bei Begründung des Arbeitsverhältnisses gleichsam auf Vorrat ausgesprochene Kürzungserklärung des Arbeitgebers gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG auslegen. Im bestehenden Arbeitsverhältnis kann der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausüben, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage wurde die Revision zugelassen. Das Verhältnis von § 17 Abs. 1 BEEG zu der Tarifnorm des § 26 Abs. 2c TVöD war bisher nicht Gegenstand der obergerichtlichen oder höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Revisionsverfahren ist beim Bundesarbeitsgericht (BAG) unter dem Az. 9 AZR 207/22 anhängig.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 17.05.2022

Aktenzeichen: 10 Sa 954/21