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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Beschlussfassung des Betriebsrats – Ladung von Ersatzmitgliedern

Beschlussfassung des Betriebsrats – Ladung von Ersatzmitgliedern

Zwar ist die rechtzeitige Ladung der Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung nach § 29 Abs. 2 Satz 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen. Der Betriebsratsvorsitzende darf aber regelmäßig annehmen, dass die rechtzeitige Nachladung eines Ersatzmitglieds jedenfalls dann nicht mehr möglich ist, wenn ihm die Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds erst im Lauf des Tags der Betriebsratssitzung zur Kenntnis gelangt.

Ein Mitarbeiter war bei einer – nicht tarifgebundenen – Arbeitgeberin, die Metallwaren produziert und vertreibt, bis Ende 2022 beschäftigt. Im Mai 2007 hatte die Arbeitgeberin mit ihrem dreizehnköpfigen Betriebsrat die „Betriebsvereinbarung über NT ERA“ (BV 2007) abgeschlossen, die zum 01.01.2008 in Kraft trat. Diese enthielt ein neues Vergütungssystem, das sich am Entgeltrahmen-Tarifvertrag für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg (ERA-TV) orientierte.

Eine am 04.12.2020 von der Arbeitgeberin und dem damaligen Betriebsratsvorsitzenden unterzeichnete Betriebsvereinbarung „Nachtrag zur Betriebsvereinbarung über NT ERA“ (BV 2020) sah zum 01.01.2022 Kürzungen im Lohnsektor vor. Da Streit darüber bestand, ob der der Unterzeichnung der BV 2020 zugrunde liegende Betriebsratsbeschluss wirksam war, beschloss der Betriebsrat in seiner Sitzung vom 25.07.2023, die Beschlussfassung zu bestätigen. Zu dieser Sitzung, bei der acht Betriebsratsmitglieder und zwei Ersatzmitglieder anwesend waren, waren am 20.07.2023 elf Betriebsratsmitglieder und zwei Ersatzmitglieder geladen worden. Im Lauf des Vormittags des 25.07.2023 hatte sich ein weiteres Betriebsratsmitglied krankgemeldet. Für dieses Betriebsratsmitglied wurde kein Ersatzmitglied geladen.

Der Mitarbeiter hat im Rahmen seiner – im Jahr 2022 erhobenen – Feststellungsklage die Auffassung vertreten, er habe weiterhin Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt nach der BV 2007, deren Geltung er stillschweigend akzeptiert habe. Die Regelung in der BV 2020 über die Kürzung des Sockelbetrags sei wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG unwirksam. Zudem habe der Unterzeichnung der BV 2020 durch den Betriebsratsvorsitzenden kein wirksamer Betriebsratsbeschluss zugrunde gelegen.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte ihr im Berufungsverfahren stattgegeben. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Arbeitgeberin hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Berufung des Mitarbeiters zurückgewiesen.

Der Mitarbeiter hatte für das Jahr 2022 keinen Entgeltanspruch nach Maßgabe von § 5 BV 2007. Die Regelung war durch die BV 2020 abgelöst worden.

Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die BV 2020 nicht mangels eines ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschlusses unwirksam. Der Betriebsrat hatte den Abschluss der BV 2020 jedenfalls durch Beschluss vom 25.07.2023 genehmigt. Daher war es unerheblich, ob der Betriebsratsvorsitzende bereits bei deren Unterzeichnung am 04.12.2020 auf der Grundlage eines wirksamen Beschlusses des Gremiums gehandelt hatte. Die vom Betriebsrat beschlossene Genehmigung wirkte entsprechend § 184 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf den Zeitpunkt der Unterzeichnung der Betriebsvereinbarung zurück. Die Rückbeziehung der Genehmigungswirkung hatte zur Folge, dass die vom Betriebsratsvorsitzenden ohne vorherigen wirksamen Beschluss des Gremiums unterschriebene Betriebsvereinbarung so zu behandeln war, als sei sie bereits bei ihrem Abschluss wirksam geworden (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.02.2022, Az. 1 AZR 233/21).

Zwar ist die rechtzeitige Ladung der Betriebsratsmitglieder einschließlich etwaiger Ersatzmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG wesentliche Voraussetzung für die Wirksamkeit von Betriebsratsbeschlüssen. Wird für ein zeitweilig verhindertes Mitglied ein vorhandenes Ersatzmitglied nicht geladen, ist der Betriebsrat regelmäßig an einer wirksamen Beschlussfassung gehindert. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Betriebsratsmitglied oder das bereits geladene Ersatzmitglied plötzlich verhindert und es nicht mehr möglich ist, das (weitere) Ersatzmitglied rechtzeitig zu laden. Eine bestimmte Frist für die Nachladung von Ersatzmitgliedern sieht das Gesetz nicht vor.

Im vorliegenden Fall war das Gremium insofern nach § 33 Abs. 2 BetrVG beschlussfähig. Elf Betriebsratsmitglieder sowie zwei Ersatzmitglieder waren ordnungsgemäß geladen worden. Der Betriebsratsvorsitzende war nicht gehalten, ein Ersatzmitglied für das Betriebsratsmitglied nachzuladen, das seine Verhinderung erst wenige Stunden vor der Betriebsratssitzung mitgeteilt hatte. Der Betriebsratsvorsitzende darf regelmäßig annehmen, dass die rechtzeitige Nachladung eines Ersatzmitglieds jedenfalls dann nicht mehr möglich ist, wenn ihm die Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds erst im Lauf des Tags der Betriebsratssitzung zur Kenntnis gelangt.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.05.2025

Aktenzeichen: 1 AZR 35/24