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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Verhaltensbedingte Kündigung wegen gelöschter Katzenfotos

Verhaltensbedingte Kündigung wegen gelöschter Katzenfotos

Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist – anders als bei der sog. Tatkündigung – Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Die Annahme, das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Vertrauen sei bereits aufgrund des Verdachts eines erheblichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zerstört, ist zumindest solange nicht gerechtfertigt, wie der Arbeitgeber die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ergriffen hat.

Ein Mitarbeiter war seit August 2016 bei einem Verein – zuletzt als Leiter des Tierheims – zu einem monatlichen Bruttogehalt von 3.997,50 EUR beschäftigt. Der Arbeitgeber hatte in den Jahren 2024 und 2025 unstreitig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Die für den Katzenbereich verantwortliche Mitarbeiterin B., die am 22.03.2025 fristlos gekündigt wurde, führte eine Datei „Bestandsliste“ Katzen. Diese Datei war auf einem Rechner bei dem Arbeitgeber gespeichert. Die insgesamt drei Rechner  waren per Bildschirmschoner mit einem allgemein gültigen Passwort geschützt. Einen individuellen nachvollziehbaren Zugang gab es nicht. Am 15.o3.2025 gab es zwischen dem Mitarbeiter und dem 1. Vorsitzenden des Arbeitgebers ein Gespräch, in dem dieser die Kündigung der Beschäftigten B. angekündigt hatte. Kurz darauf wurde die Datei gelöscht.

Mit Schreiben vom 28.03.2025 kündigte der Arbeitgeber auch das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter fristlos, hilfsweise fristgemäß. Er stützte die Kündigung auf den Vorwurf, dass der Mitarbeiter am 15.03.2025 die Datei „Bestandsliste Katzen“ und eine Datei mit Katzenfotos gelöscht habe. Eine Anhörung war zuvor nicht erfolgt. Später behauptete der Mitarbeiter, eine Datei mit Lichtbildern aller Katzen, von allen Seiten existiere nach seinem Wissen nicht. Es sei lediglich regelmäßig ein Bild für eine Karteikarte angefertigt worden. Diese Bilder seien im Verwaltungsprogramm hinterlegt. Der Mitarbeiter habe diese Bilder nicht gelöscht.

Die Kündigungsschutzklage war weitestgehend erfolgreich.

Das Arbeitsverhältnis wurde nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitgebers vom 28.03.2025 beendet, da sie mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam war.

Zwar kann das vorsätzliche Löschen wichtiger Daten das Vertrauensverhältnis im Arbeitsverhältnis so nachhaltig und schwerwiegend beschädigen, dass ein solches Verhalten einen Grund für eine außerordentliche Kündigung bilden kann. Der Arbeitgeber hatte einen solchen Vorwurf jedoch bereits nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Vielmehr hatte er zur Substantiierung des Tatvorwurfs Indizien vorgetragen, wie den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Nichtauffinden der Datei und dem Gespräch zwischen dem Mitarbeiter und dem 1. Vorsitzenden des Arbeitgebers.

Dieser Vortrag konnte nach der Auffassung des Gerichts nicht zu einer hinreichenden Überzeugend einer nachgewiesenen Tat führen. Der Arbeitgeber konnte bereits weder darlegen, wann eine Löschung in der EDV erfolgt sein sollte noch wann die Datei zum letzten Mal genutzt oder wahrgenommen worden war. Insofern war nicht nachvollziehbar möglich, den genauen Zeitraum zu konkretisieren, in welchem die Datei entfernt worden sein soll. Auch Eine Datensicherung war offensichtlich nicht vorgenommen worden, so dass eine Nutzungschronologie der Datei nicht vorgelegt werden konnte.

Außerdem war der Rechner offenbar nur durch ein unter Mitarbeitern allgemein genutztes und bekanntes Passwort beim Bildschirmschoner geschützt, das über einen längeren Zeitraum nicht mehr geändert worden war. Eine individuelle, nachvollziehbare Anmeldung war damit auch nicht nachzuvollziehen. Folglich konnte einerseits der Zeitraum aber auch andererseits nicht der konkret für einen solchen Vorgang in Betracht kommende Personenkreis eingegrenzt werden. Zudem erfolgte keine substantiierte Erklärung, wo genau in den Daten nach der Datei gesucht worden war und welche Maßnahmen ergriffen worden waren, um diese Datei wiederherzustellen.

Unerheblich war, ob mit den vorgebrachten Indizien ein hinreichender dringender Tatverdacht hätte begründet werden können, da der Arbeitgeber den Mitarbeiter unstreitig vor dem Ausspruch der Kündigung nicht angehört hatte. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist – anders als bei der sog. Tatkündigung – allerdings Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Das folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 20.03.2014, Az. 2 AZR 1037/12 und vom 24.05.2012, Az. 2 AZR 206/11). Die Annahme, das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Vertrauen sei bereits aufgrund des Verdachts eines erheblichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zerstört, ist zumindest solange nicht gerechtfertigt, wie der Arbeitgeber die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ergriffen hat.

Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt vom 24.07.2025

Aktenzeichen: 1 Ca 459/25