Während der Probezeit kein Sonderkündigungsschutz wegen Absicht der Betriebsratserrichtung
Der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3b Kündigungsschutzgesetz (KSchG) greift nicht während der Wartezeit von sechs Monaten gem. § 1 Abs. 1 KSchG. Zudem tritt Verwirkung ein, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht zeitnah (innerhalb von drei Wochen, spätestens aber innerhalb von drei Monaten) nach dem Zugang der Kündigung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG informiert.
Ein Mitarbeiter war seit 07.03.2024 als Sicherheitsmitarbeiter bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Am 13.03.2024 ließ der Mitarbeiter bei einem Notar eine „Erklärung gem. § 15 Abs. 3b KSchG“ darüber, dass er die Errichtung eines Betriebsrats im Betrieb der Arbeitgeberin beabsichtigt, beglaubigen. Am 20.03.2024 erkundigte sich der Mitarbeiter bei der Arbeitgeberin per E-Mail nach der Existenz eines Betriebsrats und teilte mit, dass er, sollte kein Betriebsrat existieren, dessen Gründung beabsichtigt und zu einer Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands einladen will. Gleichzeitig bat er um Übersendung eines Verzeichnisses aller Wahlberechtigten. Mit Schreiben vom 21.03.2024 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 28.03.2024, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Der Mitarbeiter erhob Kündigungsschutzklage und berief sich auf verschiedene Gründe für die Unwirksamkeit der Kündigung, insbesondere auf einen Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Behinderung einer Betriebsratswahl gem. § 20 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und – allerdings erstmals in einem Schriftsatz vom 15.10.2024 – auf den besonderen Kündigungsschutz für Initiatoren einer Betriebsratswahl i.S.d. § 15 Abs. 3b KSchG. Die Beklagte machte geltend, § 15 Abs. 3b KSchG sei nicht auf Kündigungen innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 KSchG anwendbar, was sich schon daraus, ergebe, dass nach dem Wortlaut nur Kündigungen erfasst seien, die aus Gründen „in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers“ ausgesprochen werden. Die Probezeitkündigung sei ausgesprochen worden, weil der Mitarbeiter nicht als Sicherheitsmitarbeiter geeignet sei.
Das Arbeitsgeicht hatte der Kündigungsschutzklage mit Hinweis auf den Sonderkündigungsschutz des Mitarbeiters gemäß § 15 Abs. 3b KSchG als sog. „Vorfeld-Initiator“ einer Betriebsratswahl stattgegeben: die beiden in der Vorschrift genannten Voraussetzungen (Vorbereitungshandlung und notarielle Beglaubigung) lägen vor. Eine Frist, innerhalb derer sich der Arbeitnehmer auf den Sonderkündigungsschutz nach § 15 Abs. 3b KSchG berufen müsse, sehe die Vorschrift nicht vor.
Auf die Berufung der Arbeitgeberin wies das Landesarbeitsgericht die Klage ab.
Der besondere Kündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG findet während der sechsmonatigen Wartezeit von § 1 Abs. 1 KSchG keine Anwendung. Vielmehr ergibt die Auslegung der Bestimmung, dass sie ausschließlich für Kündigungen im zeitlichen Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes gilt. Darüber hinaus ist das Recht des Mitarbeiters, sich auf den Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 3b KSchG zu berufen, verwirkt, da er die Arbeitgeberin nicht innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung, jedenfalls aber nicht innerhalb von drei Monaten nach Abgabe der öffentlich beglaubigten Absichtserklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 3b KSchG informiert hatte.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde im Hinblick auf die noch nicht entschiedenen Rechtsfragen einer Geltung von § 15 Abs. 3b KSchG in der Probezeit und die Frage der Verwirkung des Rechts, sich auf den Sonderkündigungsschutz zu berufen, zugelassen.
Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20.08.2025
Aktenzeichen: 10 SLa 2/25