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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Geplanter Personalabbau: Welcher Zeitpunkt ist entscheidend für Bestimmung der Betriebsgröße?

Geplanter Personalabbau: Welcher Zeitpunkt ist entscheidend für Bestimmung der Betriebsgröße?

Beruht ein Personalabbau auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung, ist für die Bestimmung der regelmäßigen Beschäftigtenanzahl i.S.v. § 23 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) als zeitlicher Anknüpfungspunkt auf die unternehmerische Entscheidung abzustellen, aus der sich ergibt, wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich insgesamt entlassen werden. Dies erfasst die Situation, dass nach einem Betriebsübergang i.S.v. § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Restbetrieb, der die dem Betriebsübergang widersprechenden Beschäftigten zusammenfasst, mit dem Ziel geführt wird, deren Beschäftigung in dem Betrieb zu beenden.

Ein Mitarbeiter war seit 2004 bei einer Arbeitgeberin bzw. deren Rechtsvorgängerin als Konstrukteur (CAD) beschäftigt. Das Unternehmen beschäftigt ca. 49.000 Mitarbeitende. Der Mitarbeiter gehörte dem Betrieb Berlin an. Zum 01.07.2023 ging die Geschäftseinheit auf die I. GmbH über. Der Mitarbeiter widersprach – neben 37 weiteren Beschäftigten – dem Betriebsübergang. Am 03.07.2023 teilte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter mit, dass er ab Juli 2024 in dem Restbetrieb verbleibe. Zwischen August 2023 und Februar 2024 gab der Mitarbeiter 41 interne Bewerbungen bei der Arbeitgeberin ab, erhielt jedoch keine Zusage.

Mit Schreiben vom 30.01.2024, dem Mitarbeiter zugegangen am 24.02.2024, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis ordentlich fristgemäß zum 31.08.2024, hilfsweise zum nächstzulässigen Zeitpunkt. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung waren dem Restbetrieb noch fünf Mitarbeitende zugeordnet. Mit der am 06.03.2024 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klageschrift hat der Mitarbeiter die Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlender sozialer Rechtfertigung und nicht ordnungsgemäßer Betriebsratsanhörung geltend gemacht, außerdem einen allgemeinen Feststellungsantrag und Prozessbeschäftigung.

Der Mitarbeiter war der Ansicht, das KSchG sei hier anwendbar. Wegen des von ihm erklärten Widerspruchs sei er im Restbetrieb verblieben, dem zum 01.07.2023 mehr als zehn Arbeitnehmende angehört hätten. Die Arbeitgeberin könne sich nicht darauf berufen, dass zum Kündigungszeitpunkt lediglich fünf Mitarbeitende bei der Feststellung der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmenden zu berücksichtigen seien. Die Arbeitgeberin hingegen meinte, bei dem Restbetrieb handele es sich um einen eigenständigen Betrieb i.S.d. § 23 KSchG. Diesem Betrieb zugehörig seien lediglich noch fünf Mitarbeitende, so dass das KSchG keine Anwendung finde.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Kündigung habe keiner sozialen Rechtfertigung bedurft. Das KSchG sei nicht anwendbar.

Auf die Berufung des Mitarbeiters hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung abgeändert und der Klage weitestgehend stattgegeben.

Die angegriffene Kündigung war nach § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt war.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts war hier der Restbetrieb kein Kleinbetrieb, der aus dem Anwendungsbereich des KSchG herausfiele. Der Beschäftigungsbetrieb des Mitarbeiters wies im entscheidenden Zeitpunkt die nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG erforderliche Mindestbeschäftigtenanzahl von mehr als zehn auf, so dass § 1 KSchG Anwendung fand. Für die Bestimmung der Betriebsgröße war somit die Beschäftigtenanzahl im Restbetrieb im Zeitpunkt seiner Konstituierung im Juli 2023 maßgebend.

Dies folgte daraus, dass dann, wenn ein Personalabbau auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung beruhte, für die Bestimmung der regelmäßigen Beschäftigtenanzahl i.S.v. § 23 Abs. 1 KSchG als zeitlicher Anknüpfungspunkt auf die unternehmerische Entscheidung abzustellen ist, aus der sich ergibt, wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich insgesamt entlassen werden. Dies erfasst die Situation, dass nach einem Betriebsübergang ein Restbetrieb, der die dem Betriebsübergang widersprechenden Beschäftigten zusammenfasst, mit dem Ziel geführt wird, deren Beschäftigung in dem Betrieb zu beenden.

Nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG gelten für Beschäftigte wie den Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat, die Vorschriften des Ersten Abschnitts des KSchG – abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen – nicht, wenn sie in einem Betrieb tätig sind, in dem in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt werden. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind für die maßgebliche Anzahl der „in der Regel“ Beschäftigten i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG grundsätzlich die Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entscheidend.

Dies bedeutet aber nicht, dass es auf die zufällige tatsächliche Anzahl der Beschäftigten im Zeitpunkt des Kündigungszugangs ankäme (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 21.09.2017, Az. 2 AZR 865/16). Vielmehr kommt es auf die Beschäftigungslage an, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Dies bedeutet, dass etwa der bloße Entschluss des Arbeitgebers, seinen Betrieb künftig auf Dauer mit nicht mehr als fünf bzw. zehn Arbeitnehmern fortzusetzen, für sich genommen nicht zur Unterschreitung des Schwellenwerts führt. Dabei ist – auch zur Verhinderung von Missbräuchen und zur Vermeidung willkürlicher Ergebnisse – entscheidend, ob ein Personalabbau auf einer einheitlichen unternehmerischen Planung beruht.

Maßgebender Anknüpfungspunkt ist die unternehmerische Entscheidung, aus der sich ergibt, wie viele Arbeitnehmer voraussichtlich insgesamt entlassen werden. Eine einheitliche Planungsentscheidung kann auch eine stufenweise Durchführung vorsehen. Für § 23 KSchG ist dementsprechend die Beschäftigtenzahl im Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung maßgeblich, die der Kündigung zugrunde liegt. Infolgedessen war hier für die Bestimmung der regelmäßigen Beschäftigtenanzahl im Restbetrieb als dem Betrieb, dem der Mitarbeiter im Zeitpunkt des Kündigungszugangs angehörte, auf dessen Konstituierung im Juli 2023 abzustellen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25.07.2025

Aktenzeichen: 12 SLa 640/25