Nichtigkeitsklage gegen Richtlinie über angemessene Mindestlöhne teilweise erfolgreich
Dänemark hat – unterstützt von Schweden – beim Europäischen Gerichtshof Klage erhoben, um die Richtlinie in vollem Umfang für nichtig erklären zu lassen. Die Richtlinie verstoße gegen die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und den Mitgliedstaaten, da sie unmittelbar in die Festsetzung des Arbeitsentgelts innerhalb der Union und in das Koalitionsrecht eingreife, für die die Union nach den Verträgen nicht zuständig sei. Hilfsweise hat Dänemark beantragt, Art. 4 Abs. 1 Buchst. d und/oder Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie, die die Förderung von Tarifverhandlungen zur Lohnfestsetzung betreffen, für nichtig zu erklären. Nach Ansicht Dänemarks greifen diese ebenfalls in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ein.
Erstens schreibt die Richtlinie den Mitgliedstaaten, in denen es gesetzliche Mindestlöhne gibt, Kriterien vor, die bei der Festlegung und Aktualisierung dieser Löhne zu berücksichtigen sind. Nach Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie umfassen diese Kriterien mindestens die Kaufkraft der gesetzlichen Mindestlöhne unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten, das allgemeine Niveau der Löhne und ihre Verteilung, die Wachstumsrate der Löhne sowie langfristige nationale Produktivitätsniveaus und -entwicklungen. Insoweit beinhaltet die Richtlinie eine teilweise Harmonisierung der Bestandteile gesetzlicher Mindestlöhne und damit einen unmittelbaren Eingriff in die Festsetzung des Arbeitsentgelts.
Zweitens gilt dasselbe für die Vorschrift, die eine Senkung der gesetzlichen Mindestlöhne unterbindet (Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie), wenn das nationale Recht einen automatischen Mechanismus für Indexierungsanpassungen dieser Löhne vorsieht. Daher erklärt der Europäische Gerichtshof die Bestimmungen der Richtlinie für nichtig, die diese unmittelbaren Eingriffe des Unionsrechts in die Festsetzung der Vergütungen beinhalten und für die demzufolge keine Gesetzgebungskompetenz der Union besteht.
Im Übrigen war die Klage Dänemarks abzuweisen. Das Unionsrecht greift mit der Richtlinie nicht unmittelbar in das Koalitionsrecht ein. Zu diesem Ergebnis gelangt der Europäische Gerichtshof insbesondere in Bezug auf die Bestimmung der Richtlinie über die „Förderung von Tarifverhandlungen zur Lohnfestsetzung“, und zwar u a. deshalb, weil diese Bestimmung die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, zu regeln, dass mehr Arbeitnehmer einer Gewerkschaft beizutreten haben. Der Gerichtshof weist auch den Klagegrund Dänemarks zurück, die Richtlinie sei auf einer unzutreffenden Rechtsgrundlage erlassen worden.