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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews 15.000 EUR Entschädigung für permanente unzulässige Überwachung am Arbeitsplatz

15.000 EUR Entschädigung für permanente unzulässige Überwachung am Arbeitsplatz

Eine permanente unzulässige Überwachung nahezu der gesamten Betriebsräume und des Arbeitsplatzes über einen Zeitraum von 22 Monaten – trotz Widerspruchs des betroffenen Arbeitnehmers – stellt eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar und rechtfertigt die Zuerkennung einer Geldentschädigung i.H.v. 15.000 EUR.

Ein Mitarbeiter war war seit dem 01.08.2020 als Produktionsmitarbeiter bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Die Arbeitgeberin produziert Stahlblöcke. Das Betriebsgelände umfasst eine Fläche von 33.000 qm mit einer Betriebshalle, die 15.000 qm groß ist. Das nicht eingefriedete Betriebsgelände befindet sich in einem Industriegebiet. Die Zufahrt ist mit einer Schranke gesichert. Innerhalb der Produktionshalle, des Lagers sowie der Büroräume befinden sich 34 Videokameras. Die meisten davon zeichnen 24 Stunden am Tag die gesamte Fläche mit einer Speicherdauer von 48 Stunden auf. Auch innerhalb der Büroräume befinden sich Kameras, die in „HD-Qualität“ aufnehmen. Die Bilder können „live“ so ausgewertet werden, wie sie aktuell aufgenommen werden. Durch Hinweisschilder, die sich an jeder Zugangstür befinden, wird auf die Videoüberwachung aufmerksam gemacht.

Im Arbeitsvertrag hatte sich der Mitarbeiter damit einverstanden erklärt, „dass im Rahmen der Zweckbestimmung des Arbeitsverhältnisses und unter Beachtung der Vorschriften des Datenschutzes die personenbezogenen Daten verarbeitet werden können.“ Die Kameraüberwachung war Gegenstand eines Rechtsstreits, den die Parteien 2023 geführt hatten. Er wurde durch Vergleich am 21.11.2023 beendet. Darin verpflichtete sich die Arbeitgeberin u.a. dazu, dem Mitarbeiter Auskunft über die Kameras zu erteilen, insbesondere bezüglich deren Betriebszeiten, Anzahl, Aufnahmen und Speicherdauer.

Mit einer Klage im Jahr 2024 hatte der Mitarbeiter seine Ansprüche weiterverfolgt. Im Februar 2025 schlossen die Parteien einen Vergleich zur Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits. Im vorliegenden Rechtsstreit nahm der Mitarbeiter die Arbeitgeberin auf Unterlassung der Videoüberwachung und Videoaufzeichnung, auf Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch. Die Arbeitgeberin behauptete, die Videoüberwachung diene der Arbeitssicherheit in der Produktion, im Lager, im Ladebereich und auf dem unübersichtlichen Außengelände.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage auf Auskunftserteilung abgewiesen und ihr im Übrigen stattgegeben. Die Arbeitgeberin wurde verurteilt, eine Geldentschädigung i.H.v. 15.000 EUR an den Mitarbeiter zu zahlen. Auf die Berufung der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht die Zahlungspflicht der Arbeitgeberin im Berufungsverfahren bestätigt.

Dem Mitarbeiter stand ein Unterlassungsanspruch nicht mehr zu, da das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet worden ist. Der Mitarbeiter konnte von der Arbeitgeberin aber die Zahlung einer Geldentschädigung i.H.v. 15.000 EUR verlangen. Der Anspruch ergab sich daraus, dass die Arbeitgeberin das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters durch eine übermäßige Kameraüberwachung in rechtswidriger, schuldhafter und erheblicher Weise verletzt hatte.

Der Anspruch folgte aus § 280 Abs. 1 i.V.m. § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Arbeitgeberin hatte die sie gemäß § 241 Abs. 2 BGB treffende vertragliche Nebenpflicht, das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiterss zu schützen, verletzt. Der Anspruch folgte auch aus § 823 Abs. 1  i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB. Das Persönlichkeitsrecht ist als sonstiges Recht durch § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise verwendet werden dürfen. Ob ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild durch Videoaufnahmen rechtswidrig ist, beurteilt sich nach den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes sowie der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).

Die (erleichterten) Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume gemäß § 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) kamen im Streitfall nicht zum Tragen. Die Videoüberwachung war auch nicht nach § 26 Abs. 1 BDSG zulässig. Zudem schied eine Zulässigkeit nach Art. 6 DSGVO aus, denn es fehlte an einer wirksamen Einwilligung des Klägers i.S.d. Art. 6 Abs. 1 a DSGVO. Zwar hatte sich der Mitarbeiter laut Arbeitsvertrag mit der Verarbeitung personenbezogener Daten einverstanden erklärt. Damit hatte er jedoch nicht wirksam in die Videoüberwachung eingewilligt. Es fehlte schon an der erforderlichen Freiwilligkeit der Einwilligung (§ 26 Abs. 2 Satz 1 BDSG, Art. 7 Abs. 4 DSGVO).

Schließlich war die Videoüberwachung auch nicht nach Art. 6 Abs. 1 f DSGVO zulässig. Die Vorschrift erlaubt die Datenverarbeitung zur Wahrung berechtigter Interessen. Datenverarbeitende Maßnahmen, sollen sie nach Art. 6 Abs. 1 f DSGVO statthaft sein, müssen allerdings einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten (Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 11.12.2019, Az. C – 708/18). Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Im Streitfall war die Videoüberwachung jedoch als unverhältnismäßig anzusehen. Die Arbeitgeberin hatte z.B. nicht vorgebracht, inwiefern das Gefahrenpotential für die Arbeitnehmer so hoch ist, dass die Überwachung des gesamten Hallenbereichs notwendig erscheint, insbesondere bezogen auf den Arbeitsplatz des Mitarbeiters.

Das Hessische Landesarbeitsgericht hatte in einem Urteil vom 25.10.2010 (Az. 7 Sa 1586/09) einen Arbeitgeber zur Zahlung einer Geldentschädigung i.H.v. 7.000 EUR für eine dreimonatige Dauerüberwachung verurteilt. Die im vorliegenden Streitfall erfolgte Kameraüberwachung war deutlich intensiver. Unter Berücksichtigung der Geldentwertung und des nicht geringen Verschuldens der Arbeitgeberin war eine Geldentschädigung i.H.v. 15.000 EUR angemessen. Die Arbeitgeberin hatte sich in eklatanter Weise über die Vorgaben des Datenschutzrechts hinweggesetzt.

Urteil des Lanesarbeitsgerichts Hamm vom 28.05.2025

Aktenzeichen: 18 SLa 959/24