Beginn des Kündigungsverbots bei Schwangerschaft
Die Mitarbeiterin trug vor, sie sei seit dem 14.07.2023 schwanger gewesen. Das ergebe sich aus den Schnelltests, die sie der Arbeitgeberin am 17.07.2023 per Whatsapp übersandt hatte. Damit habe sie ihre Schwangerschaft angezeigt. Am Tag des Zugangs der Kündigung am 27.07.2023 sei sie zumindest rechnerisch schwanger gewesen. Die Voraussetzungen des § 17 MuSchG, nämlich die Schwangerschaft und die Mitteilung über die Schwangerschaft, hätten somit im Zeitpunkt des Kündigungszugangs vorgelegen. Somit habe die Kündigung nur mit einer behördlichen Erlaubnis wirksam sein können. Eine solche lag aber nicht vor. Gemäß § 4 Satz 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG= habe die Klagefrist nicht zu laufen beginnen können.
Die Arbeitgeberin erklärte, die Mitarbeiterin habe mit Whatsapp vom 17.07.2023 von einer Schwangerschaft berichtet. Wegen des in einer Kleintierarztpraxis zwingend auszusprechenden Beschäftigungsverbots, habe sie sofort Kontakt mit einer ehemaligen Mitarbeiterin aufgenommen und mit dieser einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Der Ausspruch der Kündigung gegenüber der Mitarbeiterin sei erfolgt, nachdem diese am 24.07.2023 telefonisch mitgeteilt habe, am Wochenende sichere Anzeichen dafür erhalten zu haben, doch nicht schwanger zu sein und dass ein erneuter Schwangerschaftsschnelltest negativ gewesen sei. Die Mitarbeiterin sei am 24.07.2023 wieder zur Arbeit gekommen. Sie – die Arbeitgeberin – sei in der Situation gewesen, ab dem 01.08.2023 Arbeitsverhältnisse mit zwei Praxismitarbeiterinnen zu haben, was für sie wirtschaftlich nicht möglich gewesen sei. Sie habe vor der Entscheidung gestanden, welches der beiden Arbeitsverhältnisse sie kündigen müsse und habe sich für eine Kündigung der nun klagenden Mitarbeiterin entschieden.
Das Arbeitsgericht hatte die Kündigungsschutzklage als verspätet abgewiesen. Die behandelnde Frauenärztin hatte im Verfahren ausgesagt, dass die Mitarbeiterin am 27.07.2023 noch nicht schwanger gewesen sein konnte. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Mitarbeiterin zurückgewiesen.
Zwar galt die Mitarbeiterin am 27.07.2023 i.S.d. § 17 MuSchG als schwanger. Das ergab sich aus der Berechnungsmethode, die das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung anwendet (zuletzt Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.11.2022, Az. 2 AZR 11/22). Unterstellt man den nach Ultraschall prognostizierten Geburtstermin am 27.04.2024 und rechnet von dort 280 Tage zurück, so ergibt sich der 22.07.2023 als der erste Tag des berücksichtigungsfähigen Zeitraums. Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs war der Arbeitgeberin aber die Schwangerschaft i.S.d. § 17 Abs. 1 MuSchG nicht bekannt.
Von der Schwangerschaft, die zur Geburt der Tochter der Mitarbeiterin am 01.05.2024 führte, wusste die Arbeitgeberin im Zeitpunkt des Kündigungszugangs nichts. Erstmals mit Übersendung des Attests vom 05.09.2023, also mehr als einen Monat nach Kündigungszugang, hatte die Mitarbeiterin die Arbeitgeberin über diese Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt. Dabei ergab sich aus dem Attest mit dem dort mitgeteilten voraussichtlichen Entbindungstermin am 05.05.2024 selbst nach der Berechnungsmethode des Bundesarbeitsgerichts keine Schwangerschaft im Zeitpunkt des Kündigungszugangs, sondern erst ab dem 30.07.2023.
Mit der Mitteilung vom 17.07.2023 über die drei positiven Schwangerschaftstests vom 14.07.2023 hatte die Mitarbeiterin die Arbeitgeberin nicht über diese Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt. Unerheblich war, ob die Mitarbeiterin der Arbeitgeberin, wie diese behauptete, am 24.07.2023 mitgeteilt hatte, sie sei nicht mehr schwanger. Denn es war ausgeschlossen, dass eine Schwangerschaft, die bereits am 14.07.2023 mit einem Schwangerschaftsschnelltest nachweisbar gewesen wäre, diejenige Schwangerschaft war, die zur Geburt der Tochter am 01.05.2024 geführt hat.