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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs – Referenzzeitraum

Berechnung des Urlaubsabgeltungsanspruchs – Referenzzeitraum

Die Inanspruchnahme voller Erwerbsminderungsrente ist nicht vorwerfbar und rechtfertigt daher keine Schmälerung des Urlaubsentgelts. Hat der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum seine Arbeit unverschuldet versäumt, ist sein gewöhnlicher Arbeitsverdienst für die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete regelmäßige Arbeitszeit zugrunde zu legen. Bei Arbeitnehmern mit gleichmäßiger täglicher Arbeitszeit und konstanter Tagesvergütung bedarf es keiner ins Detail gehenden Berechnung.

Eine Mitarbeiterin war vom 01.12.2012 bis 31.05.2022 mit einer Arbeitszeit von sechs Stunden an fünf Arbeitstagen wöchentlich bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Ihr jährlicher Urlaubsanspruch betrug 26 Tage. Vom 08.12.2018 bis zum 30.09.2019 war sie arbeitsunfähig krank. Sie bezieht seit Oktober 2019 volle Erwerbsminderungsrente. In einer Aufstellung vom 31.12.2018 wies die Arbeitgeberin für das Jahr 2018 einen Resturlaubsanspruch der Mitarbeiterin von 16 Tagen aus.

Die Mitarbeiterin war der Ansicht, der Urlaubsanspruch für 2018 habe bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestanden und sei daher abzugelten. Für die Berechnung der Anspruchshöhe sei der gesetzliche Mindestlohn maßgeblich, der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegolten habe. Insofern forderte sie von der Arbeitgeberin Zahlung von 942,72 EUR brutto.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Mitarbeiterin hatte das Landesarbeitsgericht das Urteil teilweise abgeändert und die Arbeitgeberin verurteilt, an die Mitarbeiterin für 16 Urlaubstage aus 2018 einen Betrag in Höhe von 942,72 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Es hatte die Revision zugelassen, soweit es die Arbeitgeberin zu einer über 848,64 EUR hinausgehenden Zahlung verurteilt hat. Die Revision der Arbeitgeberin beim Bundesarbeitsgericht war erfolglos.

Das Landesarbeitsgericht hat die Anspruchshöhe rechtsfehlerfrei und unter Zugrundelegung des zutreffenden Geldfaktors berechnet.

Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass für jeden Urlaubstag 58,92 EUR brutto in Ansatz zu bringen waren. Es hat die richtigen Berechnungsgrundsätze nach § 11 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) angewandt und war insbesondere auch zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Ermittlung des Geldfaktors auf die gewöhnliche – im Fall der Mitarbeiterin hypothetische – Vergütung in den 13 Wochen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen ist. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG ist Urlaub abzugelten, der wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Der Abgeltungsanspruch ist entsprechend § 11 BUrlG zu berechnen. Die Höhe errechnet sich, ebenso wie die des Urlaubsentgelts, aus einer Multiplikation von Zeit- und Geldfaktor. Maßgeblich sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.04.2024, Az. 9 AZR 165/23).

Hat der Arbeitnehmer im Referenzzeitraum seine Arbeit unverschuldet versäumt, ist sein gewöhnlicher Arbeitsverdienst für die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete regelmäßige Arbeitszeit zugrunde zu legen. Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, führen nach § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG zu keiner Minderung des Abgeltungsanspruchs. Zu den Zeiten unverschuldeter Arbeitsversäumnis zählen auch solche, in denen der Arbeitnehmer Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht. Mangels einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dürfen sie sich bei der Bemessung der Urlaubsvergütung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers auswirken.

Kann der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung aufgrund einer vollen Erwerbsminderung nicht erbringen, wird ihm die Arbeitsleistung unmöglich. Er wird nach § 275 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von der Pflicht zur Arbeitsleistung frei (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 07.07.2020, Az. 9 AZR 245/19). Die Anknüpfung in § 43 Abs. 2 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) VI an Krankheit und Behinderung macht deutlich, dass die eingetretene Arbeitsversäumnis unverschuldet ist. Die Inanspruchnahme voller Erwerbsminderungsrente ist nicht vorwerfbar und rechtfertigt daher keine Schmälerung des Urlaubsentgelts. Dieses Verständnis entspricht den Vorgaben des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG, deren Umsetzung u.a. § 11 Abs. 1 Satz 3 BUrlG dient.

Den danach von der Arbeitgeberin gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG geschuldeten Abgeltungsbetrag hat das Landesarbeitsgericht nach § 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 BUrlG zutreffend berechnet. Unschädlich war, dass die Mitarbeiterin den Anspruch nicht auf einen Referenzzeitraum von 13 Wochen bezogen detailliert berechnet, sondern die Vergütung von sechs Arbeitsstunden täglich für jeden Urlaubstag in Ansatz gebracht hatte. Bei Arbeitnehmern mit gleichmäßiger täglicher Arbeitszeit und konstanter Tagesvergütung bedarf es keiner ins Detail gehenden Berechnung. Die Mitarbeiterin hat sechs Arbeitsstunden je Arbeitstag geschuldet. Ihr Resturlaub betrug 16 Tage für das Jahr 2018. Unter Berücksichtigung des im Jahr 2022 (bis zum 30.06.) geltenden Mindestlohns ergab sich eine von der Arbeitgeberin noch zu leistende Urlaubsabgeltung in Höhe von 942,72 EUR brutto (sechs Stunden x 9,82 EUR brutto x 16 Tage).

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 03.06.2025

Aktenzeichen: 9 AZR 137/24