Ehrschutzklage einer Teamleiterin wegen getätigter Äußerungen durch einen Arbeitskollegen
Im Oktober 2020 führte die Arbeitgeberin für fast alle Abteilungen des Unternehmens Kurzarbeit ein. In diesem Monat leisteten die Mitarbeiterin 14 und ihr betreffender Kollege 16 Überstunden. Im November 2020 bat der Personalleiter der Arbeitgeberin die Mitarbeiterin und den betreffenden Kollegen um eine Begründung für die geleisteten Überstunden. Die Erforderlichkeit der Überstunden ließ sich aus Sicht der Arbeitgeberin nicht aufklären.
Am 15.01.2024 sandte der Personalleiter eine E-Mail an die Mitarbeiterin, die auszugsweise lautet:
„Überstunden im Monat Oktober 2020, durch Frau A. in Höhe von 14,75 Stunden durch Herrn C. in Höhe von 16 Stunden. Laut Aussage von Herrn C. waren diese Überstunden nicht notwendig, Sie, als Vorgesetzte von Herrn C., haben ihn damals gebeten, Überstundengründe zu fingieren, um die wirtschaftlichen Nachteile der Kurzarbeit für Sie und ihn auszugleichen.“
Die Mitarbeiterin forderte den betreffenden Kollegen auf, wegen der in der E-Mail dargestellten Äußerungen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
Anfang 2024 kündigte die H. M. GmbH das Arbeitsverhältnis mit der Mitarbeiterin fristlos. Im Verfahren über die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage trug die Arbeitgeberin vor, der betreffende Kollege sei Ende 2023 an den Personalleiter herangetreten und habe ihm mitgeteilt, die Mitarbeiterin habe gebeten, dass er und sie fingierte Überstunden leisten sollten, um die finanziellen Nachteile durch die Kurzarbeit auszugleichen. Das Kündigungsschutzverfahren endete durch Vergleich, in dem sich die Mitarbeiterin und ihre Arbeitgeberin auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung verständigten.
Die Mitarbeiterin verlangte von dem betreffenden ehemaligen Kollegen die Abgabe einer Verpflichtungserklärung zur Unterlassung der folgenden beiden Aussagen:
1. die im Oktober 2020 bei der Mitarbeiterin angefallenen 14 Überstunden und die bei dem betreffenden Kollegen im Oktober 2020 angefallenen 16 Überstunden seien nicht notwendig gewesen,
2. die Mitarbeiterin habe den betreffenden Kollegen damals gebeten, Überstundengründe zu fingieren, um wirtschaftliche Nachteile der Kurzarbeit für sie und ihn auszugleichen.
Nachdem der betreffende Kollege die Abgabe der Unterlassungserklärung verweigert hatte, erhob die Mitarbeiterin Klage gegen ihn beim Arbeitsgericht. Sie war der Ansicht, die betreffenden beiden Äußerungen seien unwahre Tatsachenbehauptungen. Sie verletzten sie in ihrem allgemeinen besonderen Persönlichkeitsrecht und der betreffende Kollege sei zur Unterlassung, zum Widerruf und zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Mitarbeiterin zurückgewiesen.
Das Rechtsschutzbedürfnis kann auch nicht ausnahmsweise angenommen werden. Zwar gilt der Grundsatz, dass Äußerungen in einem Zivilprozess nach dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – GG) und dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103. Abs. 1 GG) nicht aus Gründen des Ehrschutzes zu zivilrechtlichen Nachteilen führen dürfen mangels redlichen Handelns des sich Äußernden nicht, wenn die betreffenden Behauptungen wissentlich unwahr erfolgen (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.08.2023, Az. 2 AZR 306/22, Rn. 31). Diese Voraussetzungen lagen hier aber nicht vor.
Es ließ sich nicht feststellen, dass die behaupteten Äußerungen des betreffenden Kollegen wissentlich unwahr erfolgte Behauptungen waren. Die Äußerungen stellten keine Tatsachenbehauptungen, sondern Meinungsäußerungen dar.
Die Äußerung des betreffenden Kollegen, die Überstunden im Oktober seien nicht erforderlich gewesen, ist durch ihre Subjektivität geprägt. Sie enthält ein wertendes Element. Erforderlich bedeutet: „für einen bestimmten Zweck unbedingt notwendig; unerlässlich“. Ob die Voraussetzungen für die Annahme einer Erforderlichkeit vorliegen, unterliegt der persönlichen Einschätzung des Verwenders des Begriffes. Die Bezeichnung der Überstunden als „nicht erforderlich“ gibt die Wiedergabe dieser Einschätzung durch den betreffenden Kollegen dar und ist damit ersichtlich eine wertende Stellungnahme. Die Frage, ob die Überstunden erforderlich gewesen sind, hängt dabei nicht von der Einschätzung des betreffenden Kollegen, sondern von den objektiven Umständen und der Bewertung durch die Arbeitgeberin ab.
Auch die Äußerung, die Mitarbeiterin habe ihn gebeten, Überstundengründe zu fingieren, stellt ein Werturteil dar. Bei der Aussage ist bereits unklar, ob der betreffende Kollegen damit eine wörtliche Äußerung der Mitarbeiterin oder eine sinngemäße Darstellung der Gespräche mit der Mitarbeiterin wiedergeben wollte. Der betreffende Kollege hatte im Rechtsstreit vorgetragen, er habe sich mit der Mitarbeiterin verständigt, die Arbeit in die Länge zu ziehen.
Ein Rechtsschutzbedürfnis war auch nicht deswegen anzunehmen, weil die behaupteten Äußerungen des betreffenden Kollegen als Schmähkritik nicht dem Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfallen. Die Äußerungen des Kollegen stellten keine Schmähkritik dar.
Die Klage war aber auch insgesamt unbegründet. Der Mitarbeiterin stand der geltend gemachte Unterlassungsanspruch analog § 1004 i.V.m. § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht zu.
Aus dem Gesamtkontext der Äußerungen ergab sich nicht, dass es sich um Tatsachenbehauptungen gehandelt hatte. Das Gericht verkannte nicht, dass die Äußerungen einen Tatsachenkern hatten und jedenfalls im Hinblick auf die Äußerung, die Mitarbeitrin habe den betreffenden Kollegen gebeten, Überstundengründe zu fingieren, auf einen behaupteten Sachverhalt Bezug nehmen. Es überwog aber bei den behaupteten Äußerungen das Element der Stellungnahme und sie sind insgesamt als Meinungsäußerung einzuordnen.
Es bestand auch nicht die erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wurde nicht dadurch begründet, dass der ehemalige Kollege die Äußerungen gegenüber der Arbeitgeberin aufgestellt und sein Ziel, die Mitarbeiterin aus dem Betrieb zu drängen, erreicht hatte.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Es besteht allerdings die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde und der sofortigen Beschwerde.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 07.04.2025
Aktenzeichen: 15 SLa 855/24