Elternzeit: Verfall von Urlaubsansprüchen?
Der Mitarbeiterin steht ein tariflicher Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen pro Kalenderjahr zu. Im Jahr 2021 hatte die Mitarbeiterin 24 Urlaubstage in Anspruch genommen. Da sie sich ab Oktober 2021 in einem Beschäftigungsverbot befand, konnte sie den bereits bewilligten Urlaub von weiteren sechs Tagen nicht mehr in Anspruch nehmen. An das Beschäftigungsverbot schlossen sich nahtlos die Mutterschutzfrist und die Elternzeit bis zum 06.12.2024 an.
Die Mitarbeiterin war der Ansicht, dass ihr für das Jahr 2021 noch tariflicher Mehrurlaub von sechs Tagen und für das Jahr 2022 tariflicher Mehrurlaub von sieben Tagen zustehe. Ein Verfall nach § 15 Abs. 8 MTV oder nach dem BUrlG sei aufgrund der insoweit spezielleren Norm des § 17 Abs. 2 BEEG nicht eingetreten. Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dass der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigende tarifliche Mehrurlaub aus 2021 und 2022 verfallen sei, da § 15 Abs. 8 MTV ausdrücklich zwischen gesetzlichem Mindesturlaub und Tarifvertrag differenziere.
Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen.
Der tarifliche Mehrurlaub für die Jahre 2021 und 2022 war entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht nach § 15 Abs. 8 MTV verfallen. Unerheblich war die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 8 MTV. Denn jedenfalls führte auch die Anwendbarkeit des § 15 Abs. 8 MTV nicht zu einem Verfall der streitigen übertariflichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2021 und 2022. Der Urlaub muss gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Das Kalenderjahr, in dem der Urlaubsanspruch entsteht, ist regelmäßig auch das Urlaubsjahr. Eine entsprechende Vorschrift enthält vorliegend der Manteltarifvertrag in § 15 Abs. 2. Frühestens nach Ablauf des Urlaubsjahres kann es zu einer Übertragung und einem Verfall von Urlaubsansprüchen kommen. Die Vorschrift des § 15 Abs. 8 MTV beinhaltet insoweit einen im Vergleich zur Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verlängerten Übertragungszeitraum bis zum 30.04. des Folgejahres.
§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG bzw. § 15 Abs. 2 MTV finden jedoch während der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote und Elternzeiten aufgrund spezialgesetzlicher Regelungen keine Anwendung. Einem Verfall von Urlaub während der Mutterschutzfristen und sonstiger Beschäftigungsverbote steht § 24 Satz 2 MuSchG entgegen, demzufolge die Arbeitnehmerin den vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhaltenen Erholungsurlaub auch noch nach Ablauf der Verbote im laufenden Jahr oder im Folgejahr nehmen kann. Die Vorschrift regelt das für das Fristenregime des § 7 Abs. 3 BUrlG maßgebliche Urlaubsjahr (Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 16.04.2024, Az. 9 AZR 165/23 und vom 09.08.2016, Az. 9 AZR 575/15).
Während der Elternzeit gehen die gesetzlichen Sonderregelungen in § 17 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BEEG den allgemeinen Befristungsregelungen in § 7 Abs. 3 BUrlG vor (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 05.07.2022, Az. 9 AZR 341/21). Der Arbeitgeber hat den Urlaub, den der Arbeitnehmer vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten hat, gemäß § 17 Abs. 2 BEEG nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren. § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG und § 15 Abs. 8 MTV einerseits sowie die Vorschriften der §§ 24 S. 2 MuSchG und § 17 Abs. 2 BEEG betreffen somit unterschiedliche Regelungsgegenstände. Während erstere die Übertragung und den Verfall von Urlausansprüchen regeln, beinhalten letztere schon ihrem Wortlaut nach keine Verlängerung des dreimonatigen Übertragungszeitraums des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, sondern eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Erholungsurlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG).