Rechtsanwalt Dr. von Harbou

Vertrauen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Geben Sie mir die Gelegenheit, Sie von mir und meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Gerne vereinbare ich mit Ihnen einen ersten Termin, in dem wir Ihr Anliegen besprechen und ich Sie anschließend über die rechtlichen Möglichkeiten, Erfolgsaussichten, Risiken und Kosten informiere.

Geschäftszeiten

Montag - Freitag 09:00 -18:00 Uhr
Samstag - Sonntag Geschlossen

Aktueller Rechtsblog

Top
Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Entschädigung für Entzug des Dienstwagens nach erfolgter Freistellung während laufender Kündigungsfrist

Entschädigung für Entzug des Dienstwagens nach erfolgter Freistellung während laufender Kündigungsfrist

Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Vertragsklausel, die den Arbeitgeber berechtigt, einen Arbeitnehmer ohne Vorliegen weiterer Voraussetzungen innerhalb der Kündigungsfrist freizustellen, verstößt gegen § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und ist unwirksam.

Ein Mitarbeiter stritt mit seiner Arbeitgeberin über die Zahlung einer Entschädigung für den Entzug des Dienstwagens nach erfolgter Freistellung während der laufenden Kündigungsfrist.

Der Mitarbeiter war seit Anfang 2022 als Gebietsleiter bei einer Arbeitgeberin tätig. Es war zudem einen Dienstwagenvertrag abgeschlossen worden. Das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters endete aufgrund seiner Eigenkündigung mit der vertraglichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum 30.11.2024. Die Arbeitgeberin stellte den Mitarbeiter nach Zugang seiner Kündigung einseitig mit Schreiben vom 31.05.2024 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei und forderte ihn auf, den Dienstwagen bis zum 30.06.2024 an sie herauszugeben. Dieser Aufforderung kam der Mitarbeiter nach. Die Arbeitgeberin zahlte dem Mitarbeiter keine Entschädigung für den Entzug des Dienstwagens. Bei dem Dienstwagen handelte es sich um das einzige, dem Mitarbeiter zur Verfügung stehende Fahrzeug.

Im Arbeitsvertrag hieß es u.a.:

„§ 20
Freistellung von der Arbeitspflicht:
Die Arbeitgeberin Ist berechtigt, den Arbeitnehmer bei oder nach Ausspruch einer Kündigung – gleich von welcher Seite – unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung von der Arbeitsleistung freizustellen Die Freistellung erfolgt bei unwiderruflicher Freistellung unter Anrechnung auf den Erholungsurlaub und sodann auf etwaige Zeitguthaben, soweit dem nicht die Arbeitsunfähigkeit oder sonstige schutzwürdige Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen Während der Dauer der Freistellung hat der Arbeitnehmer Tätigkeiten für und als Wettbewerber zu unterlassen Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, unaufgefordert darüber Auskunft zu erteilen, ob und in welcher Hohe er einen Zwischenverdienst in der Zeit der Freistellung erzielt hat Solcher Zwischenverdienst ist auch bei unwiderruflicher Freistellung auf Vergütungsanspruche des Arbeitnehmers anzurechnen.“

Der Mitarbeiter forderte von der Arbeitgeberin eine Entschädigung für den Entzug des Dienstwagens für den Zeitraum vom Juli bis November 2024 geltend (510,00 EUR je Monat nebst Zinsen). Er meinte, die Freistellungsregelung im Arbeitsvertrag sowie eine Widerrufsklausel in der Dienstwagenregelung seien unwirksam. Als die Arbeitgeberin die Zahlung verweigerte, klagte der Mitarbeiter auf Zahlung.

Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise – in Höhe von 510,00 EUR nebst Zinsen für den Monat Juli 2024 – statt und wies sie im Übrigen ab. Auf die Berufung des Mitarbeiters gab das Landesarbeitsgericht der Klage vollumfänglich statt. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen.

Dem Mitarbeiter stand für die Zeit vom 01.07. bis 30.11.2024 ein monatlicher Entschädigungsanspruch für den Entzug der Privatnutzung des Dienstwagens nach § 280 Abs. 1 i.V.m. § 283 Satz 1 BGB jeweils in Höhe von 510,00 EUR brutto zu. Die Pflicht zur Verzinsung dieses Anspruches folgt aus den Grundsätzen des Schuldnerverzuges gem. §§ 286, 288 BGB.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Dienstwagennutzung waren nicht erfüllt, weil der Mitarbeiter nicht wirksam von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung aufgrund des § 20 Satz 1 des geschlossenen Arbeitsvertrages freigestellt worden war. Die im Streitfall erfolgte Freistellung des Mitarbeiters innerhalb der Kündigungsfrist war weder aufgrund der Freistellungsregelung des § 20 Satz 1 des Arbeitsvertrages noch aufgrund allgemeiner Gesichtspunkte berechtigt und rechtmäßig. Die Freistellungsreglung des § 20 Satz 1 des Arbeitsvertrages benachteiligte den Mitarbeiter gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen und ist daher unwirksam.

Die eingeräumte Berechtigung, einen Arbeitnehmer im Falle einer Kündigung ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen freizustellen, ist mit den wesentlichen Grundgedanken des höchstrichterlichen anerkannten Beschäftigungsanspruches eines Arbeitnehmers nicht vereinbar. Der allgemeine Beschäftigungsanspruch besteht grundsätzlich auch nach Ausspruch einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Rechtsgrundlage dieser Beschäftigungspflicht ist eine ergänzende Rechtsfortbildung des Dienstvertragsrechts der §§ 611 ff. BGB auf Grundlage des § 242 BGB i.V.m. Art. 1 und 2 Grundgesetz (GG). Bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tritt dieser allgemeine Beschäftigungsanspruch nur zurück, wo überwiegende schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers oder jedenfalls sachliche Gründe entgegenstehen.

Dabei darf sich dieser Grund nicht abstrakt, etwa auf das gekündigte Arbeitsverhältnis beziehen, sondern muss ein konkretes Freistellungsinteresse des Arbeitgebers wiedergeben – wie z.B. die Besorgnis der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen, befürchtete Konkurrenztätigkeit, Mitnahme von Kunden etc. Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 2 BGB fordert zusätzlich, dass die zur Freistellung berechtigenden Gründe konkret in der Vereinbarung genannt werden. Eine Klausel, wie die vorliegende, die ohne weitere Vorbedingungen den Arbeitgeber für die Kündigungsfrist zur Freistellung eines Arbeitnehmers berechtigt, verkehrt das Verhältnis von Regel- und Ausnahmefall, ungeachtet einer in jedem Einzelfall vorzunehmenden Kontrolle bei der Ausübung eines formularmäßig eingeräumten Rechts, ob die Grenzen billigen Ermessens überschritten wurden. Eine derartige Regelung ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Der zum Teil gegenteilig in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung war nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen zu folgen. Diese Auffassung verkennt, dass die von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entwickelte Beschäftigungspflicht im laufenden Arbeitsverhältnis den grundgesetzlichen Wertungen der Art. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG entspricht und diese Form der richterlichen Rechtsfortbildung gewissermaßen die Qualität eines einfachen Gesetzesrechtes hat. Das Recht eines Arbeitnehmers, im laufendem Arbeitsverhältnis nicht nur seine Vergütung zu empfangen, sondern auch die Arbeitsleistung erbringen zu dürfen, hat einen derart hohen Stellenwert, dass allein der Umstand einer Kündigung, egal von welcher Seite, die gegenteiligen Interessen der Arbeitgeberseite nicht ausreichend zum Ausdruck bringt und daher hinter das Beschäftigungsinteresse eines Arbeitnehmers zurücktreten muss.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22.05.2025

Aktenzeichen: 5 SLa 249/25