Freie Mitarbeit einer Musikschullehrerin kein Arbeitsverhältnis
Mit Bescheid von Juni 2024 stellte die Deutsche Rentenversicherung Bund fest, dass die Musikschullehrerin i.S.d. Sozialversicherungsrechts abhängig Beschäftigte des Landes Berlin sei. Im August 2024 kündigte das Land den Rahmenvertrag der Mitarbeiterin mit der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist zum 30.09.2024.
Die Mitarbeiterin klagte beim Arbeitsgericht und beantragte die Feststellung, dass seit dem Jahr 1999 ein Arbeitsverhältnis zum Land Berlin bestehe. Anders als im Rahmenvertrag angegeben sei sie von Anfang an weisungsgebunden als Arbeitnehmerin beschäftigt und in den Betrieb der Musikschule eingegliedert gewesen. Dieses Arbeitsverhältnis habe das Land Berlin nicht durch die Kündigung des Rahmenvertrags wirksam beenden können. Das Land Berlin geht davon aus, dass die Zusammenarbeit mit der Mitarbeiterin wie im Rahmenvertrag vereinbart als freie Mitarbeit ausgestaltet gewesen sei und dass die Mitarbeiterin im Wesentlichen frei von Weisungen selbständig tätig gewesen sei. Der Rahmenvertrag habe entsprechend der dort ausdrücklich getroffenen Regelung gekündigt werden können.
Das Arbeitsgericht wies die Klage derab. Weder vertraglich noch tatsächlich war ein Arbeitsverhältnis feststellbar.
Nach § 611a Abs. 1 BGB setzt ein Arbeitsverhältnis die Verpflichtung zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit bei einer Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers voraus. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist durch eine Gesamtbetrachtung der Umstände festzustellen, wobei die tatsächliche Vertragsdurchführung bei einem Abweichen von der vertraglichen Vereinbarung maßgeblich ist.
Im Ergebnis der Gesamtbetrachtung war vorliegend ein Arbeitsverhältnis nicht feststellbar. Die vertragliche Regelung war auf eine Tätigkeit in freier Mitarbeit für Einzelaufträge mit weisungsfreier Gestaltung des Unterrichts gegen Zahlung von Honorar gerichtet. Anhand der tatsächlichen Durchführung der Zusammenarbeit war ebenfalls nicht feststellbar, dass ein weisungsgebundenes, fremdbestimmtes Arbeitsverhältnis vorlag. Anders als bei Lehrkräften an allgemeinbildenden Schulen mit konkreten Vorgaben, Reglementierungen und Kontrollen durch den Unterrichtsträger war die Mitarbeiterin nicht ähnlich intensiv in den Unterrichtsbetrieb eingebunden. Sie war frei in der örtlichen, zeitlichen und inhaltlichen Erteilung des Musikunterrichts. Zwar konnte sie die Räume der Musikschule nutzen (und hat diese auch tatsächlich genutzt), sie war dazu aber nicht verpflichtet.
Die Mitarbeiterin hatte auch, anders als die in Arbeitsverhältnissen beschäftigten Musikschullehrkräfte, keine Verpflichtung zum Unterricht bestimmter Schüler, sondern konnte deren Zuweisung zum Unterricht frei und ohne Erfordernis einer Begründung annehmen oder ablehnen. Soweit eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Mitarbeiterin von den Aufträgen der Musikschule eingetreten ist, war diese nicht als wesentliche Beschränkung der persönlichen Unabhängigkeit zu beurteilen, da jederzeit auch eine Tätigkeit für andere Auftraggeber zulässig war. Wesentlich ist die auch in der Praxis gegebene Freiheit der Mitarbeiterin bei der Gestaltung der Unterrichtsinhalte und bei der zeitlichen Bestimmung ihrer Arbeitszeiten durch eigenständige Terminvereinbarungen mit den zu Unterrichtenden.
Zu Klassenvorspielen und zu von der Musikschule angebotenen Instrumentenkarussells war die Mitarbeiterin, anders als die angestellten Musikschullehrkräfte, nicht verpflichtend herangezogen worden, sondern nur auf entsprechende Anträge ihrerseits. Dasselbe gilt für Fortbildungen. Auf die sozialversicherungsrechtliche Einordnung kommt es für die arbeitsrechtlich zu bewertende Frage des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses nicht maßgeblich an. Da kein Arbeitsverhältnis bestanden hat, konnte auch nicht festgestellt werden, dass ein solches durch die Kündigung des Rahmenvertrags nicht beendet worden ist.
Die Mitarbeiterin kann gegen das Urteil Berufung beim Landesarbeitsgericht einlegen.