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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Inflationsausgleichsprämie im Baugewerbe

Inflationsausgleichsprämie im Baugewerbe

In § 2 Abs. 1 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags Inflationsausgleichsprämie für das Baugewerbe wird tatsächliche Arbeitsleistung bzw. tatsächlicher Entgeltbezug nicht zur Voraussetzung gemacht. § 2 Abs. 6 erlaubt keine ratierliche Kürzung für Zeiten, in denen kein Entgeltanspruch besteht.

Eine Mitarbeiterin ist seit 2012 als Büroangestellte in Teilzeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden bei einem Unternehmen des Baugewerbes angestellt. Seit Juni 2023 ist die Mitarbeiterin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und bezieht seit August 2023 Krankengeld. Die Arbeitgeberin zahlte im September 2023 eine Inflationsausgleichsprämie an alle Arbeitnehmer außer der betreffenden Mitarbeiterin aus. An eine andere Arbeitnehmerin zahlte die Arbeitgeberin die Prämie trotz ihrer Teilzeittätigkeit in vollem Umfang von 500 EUR aus. In § 2 des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags Inflationsausgleichsprämie für das Baugewerbe Bundesrepublik Deutschland (TV Inflationsausgleichsprämie) heiß es u.a.:

§ 2 Inflationsausgleichsprämie
(1) Zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise zahlen Arbeitgeber den gewerblichen Arbeitnehmern, Angestellten und Polieren zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Entgelt eine Inflationsausgleichsprämie gemäß § 3 Nr. 11c EStG und § 1 SvEV in Höhe von insgesamt 500,00 €, zahlbar bis spätestens 30.9.2023, und weiteren insgesamt 500 €, zahlbar bis spätestens 30.9.2024.

(6) Für jeden vollen Kalendermonat im Zeitraum Februar 2023 bis Dezember 2024, in dem kein Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich besteht, vermindert sich die Inflationsausgleichsprämie um ein Dreiundzwanzigstel.

Die Mitarbeiterin war der Ansicht, dass ihr die in § 2 Abs. 1 des Tarifvertrages geregelte Inflationsausgleichsprämie ungekürzt zustehe. Die bestehende Arbeitsunfähigkeit bzw. der Krankengeldbezug ändere daran nichts, da sich die Mitarbeiterin in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis und somit in einem Beschäftigungsverhältnis i.S.d. TV Inflationsausgleichsprämie befinde. Die Arbeitgeberin hielt dagegen, dass die Mitarbeiterin keinen Anspruch auf Auszahlung der Inflationsausgleichsprämie habe, da sie seit Juni 2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt sei und die Entgeltfortzahlungspflicht im August 2023 geendet habe, weshalb die Mitarbeiterin nicht mehr in einem Beschäftigungsverhältnis zur Arbeitgeberin i.S.d. § 7 SGB IV stehe. Die Mitarbeiterin klagte auf Zahlung der Prämie.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen.

Der Mitarbeitern steht der Anspruch auf Zahlung der zum 30.09.2023 fällig gewordenen Inflationsausgleichsprämie von 500 EUR zu.

§ 2 Abs. 1 TV Inflationsausgleichsprämie stellt zur Anspruchsbegründung allein auf den Status („Arbeitnehmern, Angestellten und Polieren“) ab. Darüber, dass die Mitarbeiterin im maßgeblichen Zeitraum in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stand, war unstrittig. Es galt daher zu prüfen, ob der so entstandene Anspruch der Mitarbeiterin gegebenenfalls gem. § 2 Abs. 6 TV Inflationsausgleichsprämie gemindert war. Der Wortlaut der tariflichen Regelung ist nicht eindeutig und bedurfte der Auslegung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln.

Infolgedessen war davon auszugehen, dass in § 2 Abs. 1 TV Inflationsausgleichsprämie tatsächliche Arbeitsleistung bzw. tatsächlicher Entgeltbezug nicht zur Voraussetzung gemacht wird. Die wirtschaftlichen Folgen der Inflation treffen nicht nur die Personen, die tatsächlich beschäftigt sind, sondern auch diejenigen, die z.B. wegen Erkrankung aus der Entgeltfortzahlung fielen. Eine Begrenzung auf Personen im Entgeltbezug lässt sich dementsprechend der Regelung in § 3 Nr. 11c Einkommensteuergesetz (EStG) nicht entnehmen.

Nach Überzeugung des Gerichts erschien es naheliegend, dass die Tarifvertragsparteien mit § 2 Abs. 6 TV Inflationsausgleichsprämie lediglich Fälle regeln wollten, in denen das Arbeitsverhältnis während der Geltungsdauer des Tarifvertrages beginnt oder endet. Für die Entstehung des vollen Anspruchs (vorbehaltlich der Regelung in § 2 Abs. 5 TV Inflationsausgleichsprämie) ist mithin der bloße Bestand des Arbeitsverhältnisses während der Geltungsdauer des Tarifvertrages ausreichend. Die Vorschrift erlaubt keine ratierliche Kürzung für Zeiten, in denen kein Entgeltanspruch besteht.

Den Tarifvertragsparteien wäre es zwar unbenommen, zusätzliche Ziele wie Honorierung tatsächlicher Arbeitsleistung mit der Inflationsausgleichsprämie zu verbinden. Voraussetzung ist in einem solche Fall aber, dass ein solcher Wille der Tarifvertragsparteien klar im Tarifvertrag zum Ausdruck kommt. Das ist hier allerdings nicht der Fall.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 24.02.2025

Aktenzeichen: 1 SLa 253/24