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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG trotz fehlenden Vermittlungsauftrags

Keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG trotz fehlenden Vermittlungsauftrags

Die Verpflichtung des Arbeitgebers, mit der Agentur für Arbeit nach § 164 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX Verbindung aufzunehmen, erfordert die Erteilung eines Vermittlungsauftrags. Die nach § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) begründete Vermutung kann widerlegt sein, sofern der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist.

Ein privatwirtschaftliches Unternehmen, dass Dienstleistungen im Bereich der IT-Sicherheit anbietet, hatte online eine Stelle als „Scrum Master / Agile Coach“ ausgeschrieben. Ein schwerbehindeter Bewerber bewarb sich mit Schreiben vom 23.08.2021 auf diese Stelle und wies dabei auf seine Schwerbehinderung hin. Eine automatisierte Eingangsbestätigung wurde ihm am 24.08.2021 um 12:30 Uhr übermittelt. Die Arbeitgeberin, bei der weder ein Betriebsrat noch eine Schwerbehindertenvertretung gebildet waren, entschied sich jedoch für einen Mitbewerber und ließ diesem per E-Mail vom 24.08.2021 um 15:39 Uhr den Entwurf eines Arbeitsvertrags zukommen. Der Mitbewerber bestätigte den Eingang am 24.08.2021 um 16:01 Uhr und erklärte sich mit dem Vertragsinhalt mittels E-Mail vom 26.08.2021 um 10:03 Uhr einverstanden. Der beidseitig unterzeichnete Arbeitsvertrag ging der Arbeitgeberin nach Rücksendung durch den Mitbewerber frühestens am 03.09.2021 zu. Bis zu diesem Tag war die Stellenausschreibung im Internet veröffentlicht. Ebenfalls an diesem Tag wurde dem schwerbehinderten Bewerber mitgeteilt, dass seine Bewerbung keine Berücksichtigung gefunden habe. Dieser machte mit Schreiben vom 06.10.2021 wegen einer von ihm angenommenen Diskriminierung aufgrund seiner Schwerbehinderung eine Entschädigung geltend. Er war der Ansicht, er sei wegen seiner Schwerbehinderung im Auswahlverfahren diskriminiert worden. Hierauf deute hin, dass die Arbeitgeberin entgegen § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX nicht frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit aufgenommen habe. Die Stelle sei nur in unterschiedliche Stellenportale einschließlich der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit eingespeist worden. Ein Vermittlungsauftrag sei der Agentur für Arbeit aber nicht erteilt worden. Die Arbeitgeberin wies darauf hin, dass der entscheidungsberechtigte Divisionsleiter bereits um 11:09 Uhr am 24.08.2021 per E-Mail die Einstellung des Mitbewerbers genehmigt habe. Damit sei das Auswahlverfahren vor Eingang der Bewerbung des schwerbehinderten Bewerbers beendet worden.

Der abgelehnte Bewerber klagte auf Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung aufgrund seiner Behinderung gemäß § 15 Abs. 2 AGG. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG waren hier nicht erfüllt.

Zwar lag ein Verstoß gegen § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX mit der Folge vor, dass die Vermutungswirkung nach § 22 AGG eingegriffen hat. Arbeitgeber sind nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX verpflichtet zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können. Sie nehmen nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX frühzeitig Verbindung mit der Agentur für Arbeit auf. Die Bundesagentur für Arbeit oder ein Integrationsfachdienst schlägt den Arbeitgebern geeignete schwerbehinderte Menschen vor (§ 164 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Ein Verstoß gegen § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX kann die Vermutung einer Benachteiligung wegen Schwerbehinderung i.S.v. § 22 AGG begründen.

Die frühzeitige Verbindungsaufnahme gem. § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX muss die ausdrückliche Erteilung eines Vermittlungsauftrags gegenüber der bei der Bundesagentur für Arbeit nach § 187 Abs. 4 SGB IX vorgesehenen Stelle auf einem von der Bundesagentur dafür vorgesehenen Kommunikationsweg umfassen. Dies beinhaltet die Angabe der für eine Vermittlung erforderlichen Daten. Erst dadurch wird die in § 164 Abs. 1 Satz 3 SGB IX vorgesehene Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen durch die Bundesagentur für Arbeit ermöglicht und dem Gesetzeszweck entsprochen. Dies steht auch nicht im Widerspruch zu den besonderen Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber nach § 165 SGB IX. Die Arbeitgeberin hatte jedoch keinen Vermittlungsauftrag erteilt, sondern nur eine automatisierte Einstellung der Suchanzeige in die Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit veranlasst.

Allerdings hatte die Arbeitgeberin die daraus folgende Vermutung einer Benachteiligung des Bewerbers wegen seiner Schwerbehinderung widerlegt. Denn die nach § 22 AGG begründete Vermutung kann widerlegt sein, sofern der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung des sich benachteiligt fühlenden Bewerbers bei ihm eingegangen ist. Im vorliegenden Fall hatte der Divisionsleiter der Arbeitgeberin am 24.08.2021 bereits um 11:09 Uhr die endgültige Besetzungsentscheidung getroffen, die Bewerbung des schwerbehinderten Bewerbers war an diesem Tag aber erst um 12:30 Uhr eingegangen.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27.03.2025

Aktenzeichen: 8 AZR 123/24