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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kündigung wegen verspäteter Rückkehr aus dem Urlaub

Kündigung wegen verspäteter Rückkehr aus dem Urlaub

Allein die Ungewissheit über eine Rückkehr an den Arbeitsplatz ohne Schilderung weiterer konkreter betrieblicher Ablaufstörungen kann nur dann eine Kündigung rechtfertigen, wenn diese deutlich länger als die vorliegenden rund drei Monate andauert.

Ein Mitarbeiter war seit August 2019 bei einem international tätigen Paketspeditionsunternehmen als Logistikarbeiter mit einer 20-Stunden-Arbeitswoche bei einer Bruttomonatsvergütung von 1.631 EUR beschäftigt. In der Zeit vom 16.09. bis 25.10.2024 hatte der Mitarbeiter Urlaub, den er in seiner Heimat Somalia verbrachte, wohin er über den Flughafen in Addis Abeba / Äthiopien jeweils mit einem äthiopischen Transitvisum eingereist war und am 26.10.2024 wieder ausreisen wollte. Er hatte dafür einen Rückflug gebucht. Der Mitarbeiter trat seine Arbeit am 28.10.2024 jedoch nicht wieder an und meldete sich auch nicht persönlich ab oder krank. An diesem Tag ging allerdings im Betrieb der Arbeitgeberin der Anruf eines Dritten ein, der zumindest davon berichtete, dass der Mitarbeiter noch in Afrika sei.

Am 26.11.2024 und am 04.12.2024 erteilte die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter jeweils eine Abmahnung jeweils wegen unentschuldigten Fehlens. Am 08.01.2025 hörte die Arbeitgeberine den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen, fristgerechten Kündigung des Mitarbeiters an. Der Betriebsrat ließ die Anhörungsfrist verstreichen. Mit Schreiben vom 20.01.2025 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter ordentlich fristgerecht zum 31.03.2025. Mit einem Flug aus Afrika kam der Mitarbeiter am 04.02.2025 nach Deutschland zurück und bot der Arbeitgeberin am 05.02.2025 seine Arbeitskraft tatsächlich wieder an. Zuvor hatte der Mitarbeiter am 20.01.2025 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben lassen.

Der Mitarbeiter behauptete, ihm sei unmittelbar vor Antritt des Rückflugs im Flughafen sein Aufenthaltstitel gestohlen worden, ohne den er den Flug nicht habe antreten können. Er habe den Diebstahl sofort bei der Flughafenpolizei angezeigt und sich an die Deutsche Botschaft gewendet. Einen Termin habe er dort über eine Agentur buchen müssen und für den 21.11.2024 bekommen. Am 31.01.2025 habe ihn der Sachbearbeiter der Botschaft angerufen um mitzuteilen, dass das Visum fertig sei. Mit dem nächstmöglichen Flug sei er am 04.02.2025 nach Deutschland zurückgekehrt.

Die gegen die die Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage war vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Die Kündigung vom 20.01.2025 war sozial nicht gerechtfertigt und damit gem. § 1 Abs. 1 und 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) rechtsunwirksam.

Die von der Arbeitgeberin vorgetragenen beanstandeten Verhaltensweisen des Mitarbeiters rechtfertigten keine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Da der Mitarbeiter nach dem Ende seines Urlaubs seit dem 28.10.2024 arbeitsfähig war und er nicht mehr zur Arbeit erschien, war objektiv zwar eine langanhaltende und zum Kündigungszeitpunkt erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflicht gegeben. Allerdings war diese Verletzung nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht vorwerfbar und daher keine geeignete Grundlage für die streitgegenständliche Kündigung.

Allein die Ungewissheit über eine Rückkehr an den Arbeitsplatz ohne Schilderung weiterer konkreter betrieblicher Ablaufstörungen vermag nur dann eine Kündigung zu rechtfertigen, wenn diese deutlich länger als die vorliegenden rund drei Monate andauert. Soweit kürzere Fehlzeiten bzw. Ungewissheit der Rückkehr an den Arbeitsplatz vorliegen, werden konkrete betriebliche Ablaufstörungen wie etwa eine fehlende Planbarkeit des Arbeitseinsatzes im Betrieb sowie die fehlende Möglichkeit der Umorganisation der verbleibenden Beschäftigten bzw. Beschäftigung von Vertretungskräften als erforderlich angesehen, damit deutlich wird, dass die Arbeitgeberin den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers nicht länger hat offenhalten können.

Wegen einer Fehlzeit des Mitarbeiters von allein rund drei Monaten zum Zeitpunkt der Kündigungsentscheidung und von der Arbeitgeberin nicht dargestellter konkreter betrieblicher Auswirkungen vermochte das Gericht nicht von einer derart schwerwiegenden (objektiven) Pflichtverletzung auszugehen, welche die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Mitarbeiter rechtfertigen konnte. Selbst bei gedanklicher Unterstellung der Richtigkeit des Vorbringens der Arbeitgeberin ließe sich vorliegend damit keine zureichend schwerwiegende (Neben-)Pflichtverletzung durch den Kläger feststellen, die auch nach Durchführung der gebotenen Interessenabwägung eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit ihm rechtfertigen könnte.

Unter Berücksichtigung des offenbar bis Oktober 2024 beanstandungsfrei und bis dahin auch tatsächlich praktizierten Arbeitsverhältnisses mit einer mehr als fünfjährigen Betriebszugehörigkeit des Mitarbeiters und seinem unwiderlegten Vortrag, er habe wiederholte Versuche der Kontaktaufnahmen mit der Arbeitgeberin vorgenommen bzw. veranlasst, schloss die (Neben-) Pflichtverletzung ordnungsgemäßen Meldeverhaltens hinsichtlich seiner fehlenden Möglichkeit zur Wiederaufnahme seiner Arbeitsleistung nach dem Ende des Urlaubs ab dem 28.10.2024 zwar nicht aus. Jedoch ließen sie mit dem von dem Mitarbeiter vorgelegten E-Mails und dem von ihm veranlassten Anruf durch einen Dritten bei der Arbeitgeberin noch am 28.10.2024 sein konsistentes Bemühen um eine rechtzeitige Information der Arbeitgeberin erkennen. Dass der Mitarbeiter ggf. weitere Möglichkeiten zur Information gehabt, aber nicht genutzt haben soll, wie z.B. die Meldung an einem Stützpunkt der Arbeitgeberin in Addis Abeba, führte nicht zu der Bewertung eines besonders nachlässigen Verhaltens des Mitarbeiters.

Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 08.05.2025

Aktenzeichen: 4 Ca 208/25