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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kündigungsschutz: Zusammenrechnung von zwei Arbeitsverhältnissen

Kündigungsschutz: Zusammenrechnung von zwei Arbeitsverhältnissen

Zwei Arbeitsverhältnisse können für die Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit bis zum Eingreifen des gesetzlichen Kündigungsschutzes nach § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zusammengerechnet werden, wenn sie in einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Eine deutliche Zäsur ist darin zu sehen, wenn sich der Arbeitgeber zunächst für einen anderen Bewerber entschieden hat, womit der sachliche Zusammenhang abgebrochen und aufgehoben wird.

Ein Arbeitgeber hatte Ende 2020 eine Stelle als Konzept- und Musikdramaturg*in ausgeschrieben. Letztlich verblieben eine Bewerberin und ein weiterer Bewerber im Bewerbungsverfahren. Beide bekamen Aufgaben zur Bearbeitung. Zu diesem Zweck unterschrieben der Arbeitgeber und die Bewerberin am 15.05.2020 einen Vertrag, nach dem diese den Arbeitgeber u.a. bei der Vorbereitung und Konzeption einer musikpädagogische Onlineplattform beraten und unterstützen sollte. Der Vertrag sollte vom 16.02. bis zum 26.02.2021 gelten. Als Entgelt wurden 750,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Die Zahlung sollte nach Zugang einer prüffähigen Rechnung erfolgen.

Die Bewerberin erhielt am 16.02.2021 Aufgaben. Am 24.02.2021 erkrankte sie. Ihr Ehegatte übergab den ersten Aufgabenteil am 03.03.2021 an den Arbeitgeber. Die Arbeitsunfähigkeit der Bewerberin dauerte bis zum 28.04.2021. Danach übertrug der Arbeitgeber sowohl der Bewerberin als auch dem anderen Bewerber weitere Aufgaben, die bis zum 05.05.2021 zu erledigen waren. Nachdem der von dem Arbeitgeber zunächst ausgewählte Bewerber die Stelle ausgeschlagen hatte, entschied sich der Arbeitgeber dazu, die Bewerberin am 17.05.2021 einzustellen.

Mit Schreiben vom 25.10.2021, unterschrieben von der geschäftsführenden Intendantin, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit der eingestellten Bewerberin mit einer Frist von zwei Wochen. Mit Schreiben vom 11.11.2021 kündigte die Prozessbevollmächtigte des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis vorsorglich nochmals für den Fall der Unwirksamkeit der ersten Kündigung. Die gekündigte Mitarbeiterin erhob Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht. Sie meinte, dass das Kündigungsschutzgesetz gelte, da sie insgesamt bereits länger als sechs Monate bei dem Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei. Die Zeit ab dem 16.02.2021, in der sie bereits Beratungs- und Unterstützungsaufgaben für den Arbeitgeber erledigt hatte, war ihrer Meinung nach als Beschäftigungszeit mitzurechnen.

Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung vom 25.10.2021 für rechtsunwirksam, die Kündigung vom 11.11.2021 jedoch für wirksam mit Wirkung zum 27.11.2021. Das Arbeitsverhältnis habe erst seit dem 17.05.2021 bestanden, sodass das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung gefunden habe. Für die vereinbarte sechsmonatige Probezeit war im Arbeitsvertrag eine 14-tägige Kündigungsfrist geregelt worden. Auf die Berufung der Mitarbeiterin hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Das Arbeitsverhältnis hatte erst mit Unterzeichnung des Vertrages am 17.05.2021 begonnen. Die Kündigung vom 11.11.2021 war am 13.11.2021, mithin innerhalb von sechs Monaten, zugegangen und damit innerhalb der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes.

Das mit Wirkung vom 16.02.2021 begründete Rechtsverhältnis war hingegen kein Arbeitsverhältnis. Es war vielmehr eine Aufgabe (Beratung und Unterstützung) vereinbart worden, die sowohl in einem freien Dienstverhältnis als auch in einem Arbeitsverhältnis erbracht werden konnte. Hieraus ließ sich keine sicheren Rückschlüsse auf ein Arbeitsverhältnis ziehen. Die Entgeltabrede sprach für die Durchführung eines freien Dienstverhältnisses. Die weitere Abrede, dass andere Tätigkeiten und Arbeitsverhältnisse von diesem Vertragsverhältnis unberührt bleiben sollten, sprach dafür, dass kein Arbeitsverhältnis gewollt war, weil offensichtlich nicht die volle Arbeitskraft geschuldet war.

Davon abgesehen – selbst unterstellt – es hätte aufgrund des Vertrages vom 16.02.2021 ein Arbeitsverhältnis vorgelegen und wäre als solches durchgeführt worden, wäre die Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes nicht erfüllt, denn dieses Arbeitsverhältnis wäre befristet gewesen bis zum 26.02.2021. Das Arbeitsverhältnis konnte auch nicht mit dem am 17.05.2021 begonnenen Arbeitsverhältnis zusammengerechnet werden. Zwar können zwei Arbeitsverhältnisse grundsätzlich für die Erfüllung der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG zusammengerechnet werden, wenn sie in einen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Hier fehlte es jedoch an dem sachlichen inneren Zusammenhang.

Zwar war dieses Vertragsverhältnis als Probe und Eignungsprüfung dem Arbeitsverhältnis vom 17.05.2021 vorgeschaltet, was zunächst für einen sachlichen Zusammenhang sprach. Allerdings gab es die deutliche Zäsur, dass sich der Arbeitgeber zunächst für einen anderen Bewerber entschieden hatte, womit der sachliche Zusammenhang abgebrochen und aufgehoben wurde. Das Gericht war aufgrund der vorgelegten Unterlagen und auch der Schreiben des anderen Bewerbers hinreichend davon überzeugt, dass tatsächlich zunächst dieser andere Bewerber ausgesucht worden war und dann abgesagt hatte.

Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 04.06.2025

Aktenzeichen: 4 Sa 281/22