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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Langzeitkonto: Erkrankung während der Freistellung

Langzeitkonto: Erkrankung während der Freistellung

Der auf Grund eines Guthabens in einem Langzeitkonto bestehende Freistellungsanspruch des Arbeitnehmers wird auch dann durch seine Freistellung erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nachträglich im Freistellungzeitraum arbeitsunfähig erkrankt. Demnach trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer das Risiko, die durch Arbeitsbefreiung als Arbeitszeitausgleich gewonnene Freizeit auch tatsächlich nach seinen Vorstellungen nutzen zu können.

Ein heute 59-jähriger Mitarbeiter war seit 1984 mit einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 6.268 EUR brutto bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung. Im Tarifvertrag über Langzeitkonten ist geregelt, dass die Betriebsparteien Langzeitkonten vereinbaren können. Das Langzeitkonto diene unter Beachtung der betrieblichen Erfordernisse insb. der persönlichen Lebensarbeitszeitplanung des einzelnen Beschäftigten. Auch die zwischen Betriebsrat und dem Arbeitgeber abgeschlossene Betriebsvereinbarung über die Einrichtung von Langzeitkonten bezeichnet u.a. die persönliche Lebensplanung des einzelnen Beschäftigten als wesentliche Motive.

Der Mitarbeiter und die Arbeitgeberin hatten am 20.06.2023 einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen, der zum Ausgleich eines Zeitguthabens des Mitarbeiters von 31 Tagen die Freistellung im Zeitraum vom 18.08. bis 29.09.2023 beinhaltete. Am 26.06.2023 wurde der Zeitraum in das Zeiterfassungssystem der Arbeitgeberin als Freistellungstage eingepflegt und der Antrag auf Freistellung am 03.07.2023 genehmigt. Vom 04.08.2023 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses war der Mitarbeiter arbeitsunfähig erkrankt.

Der Mitarbeiter verlangte die Auszahlung der 31 Tage, da er die eingestellten Stunden im Langzeitkonto wegen seiner Erkrankung aus persönlichen Gründen nicht habe abbauen können. Nach Ablehnung durch die Arbeitgeberin klagte der Mitarbeiter auf Zahlung der den 31 Tagen entsprechende Summe von 8.933,89 EUR.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Entscheidung im Berufungsverfahren bestätigt.

Der Mitarbeiter hatte keinen Anspruch auf Zahlung von 8.933,89 EUR brutto als Abgeltung für 31 Tage aus dem Langzeitarbeitskonto nach § 7 lit. b9 TV LZK, da bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in dem Langzeitkonto des Mitarbeiters kein Guthaben mehr vorhanden war.

Das im Langzeitkonto des Mitarbeiters nach Abschluss des Aufhebungsvertrags vom 20.06.2023 unstreitig noch bestehende Guthaben des Mitarbeiters  war durch die vereinbarungsgemäß am 03.07.2023 für den Zeitraum vom 18.08.2023 bis 29.09.2023 erfolgte Freistellung des Mitarbeiters abgebaut und sein Freistellungsanspruch erfüllt worden. Die ab dem 04.08.2023 eingetretene und bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2023 andauernde Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters führte zu keiner rückwirkenden Beseitigung der eingetretenen Erfüllungswirkung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird ein Anspruch auf Arbeitszeitausgleich bereits durch die Freistellung von der Arbeitspflicht erfüllt. Der Arbeitnehmer ist in diesem Falle nicht mehr verpflichtet, im Freistellungszeitraum die nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Er kann über diesen Zeitraum frei verfügen, ohne dass die Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung der entsprechenden Vergütung entfällt. Eine nachträglich eintretende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Freistellungszeitraum macht die Erfüllung des Ausgleichsanspruchs nicht hinfällig. Demnach trägt grundsätzlich der Arbeitnehmer das Risiko, die durch Arbeitsbefreiung als Arbeitszeitausgleich gewonnene Freizeit auch tatsächlich nach seinen Vorstellungen nutzen zu können (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.09.2003, Az. 6 AZR 374/02).

Daher hatte im Streitfall der Mitarbeiter das Risiko der Nutzungsmöglichkeit der vereinbarten freien Arbeitstage getragen und nicht die Arbeitgeberin. Die in der Präambel der Regelungen ausgedrückten Zwecke der arbeitsfreien Zeit lagen offenkundig nicht in der Erholung des Arbeitnehmers, sondern sonstiger, in dessen Sphäre liegender Zielrichtungen und Interessen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10.04.2025

Aktenzeichen: 3 SLa 629/24