Mutterschutzlohn und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld: Bestimmung des Referenzzeitraumes
Eine Mitarbeiterin ist seit 2017 als Flugbegleiterin bei einer Arbeitgeberin tätig. Ihr Arbeitsentgelt besteht aus festen Anteilen (u.a. einer Grundvergütung), Sonderzahlungen und variablen Bestandteilen (Mehrflugstundenvergütung und Bordverkaufsprovision). Der Einsatz der in diesem Modell teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer erfolgt während des Jahres in saisonal unterschiedlichem Umfang. Die Mitarbeiterin befand sich von März 2020 bis März 2022 in Kurzarbeit. Von Februar 2021 bis Januar 2022 erhielt sie keine Mehrflugstundenvergütung. Bordverkaufsprovision erzielte sie nur von August bis Dezember 2021. Im Februar 2021 sowie von November 2021 bis Januar 2022 zahlte ihr die Arbeitgeberin eine monatliche Winterzulage in unterschiedlicher Höhe.
Im Februar 2022 wurde die Mitarbeiterin schwanger. Wegen der Schwangerschaft bestand ab dem 06.04.2022 ein Beschäftigungsverbot. Das Kind kam am 06.12.2022. Die Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 und 2 Mutterschutzgesetz (MuSchG) liefen vom 15.10.2022 bis zum 31.01.2023. Seit Ende der Mutterschutzfrist bestand erneut ein Beschäftigungsverbot für die ihr Kind stillende Mitarbeiterin. Die Arbeitgeberin zahlte der Mitarbeiterin vom 06.04. bis zum 14.10.2022 sowie für die Monate ab dem 01.02.2023 Mutterschutzlohn. Seit April 2023 ist die Mitarbeiterin in Vollzeit angestellt. Im Rahmen des Mutterschutzlohns erhält sie u.a. die Grundvergütung entsprechend einer Vollzeitarbeitnehmerin.
Die Mitarbeiterin verlangte gerichtlich einen höheren Mutterschutzlohn und einen höheren Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Sie war der Ansicht, bei der Berechnung des Mutterschutzlohns sei auf den Referenzzeitraum November 2021 bis Januar 2022 abzustellen, wobei eine – ohne die Kurzarbeit zu zahlende – Winterzulage in Höhe von 400,00 EUR monatlich zu berücksichtigen sei. Sie verlangte insofern die Zahlung von 9.720,00 EUR brutto. Die Arbeitgeberin war der Ansicht, bei der Berechnung sei auf einen zwölfmonatigen Referenzzeitraum abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führe die Beschäftigung in einem Jahreszeitmodell zu einer Verlängerung des gesetzlich vorgesehenen Referenzzeitraums.
Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hatte die Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Auf die Revision der Arbeitgeberin hat das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil weitestgehend aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen konnte nicht beurteilt werden, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, der Mitarbeiterin die geltend gemachten Differenzbeträge zum bereits gewährten Mutterschutzlohn i.H.v. monatlich 400,00 EUR brutto sowie für die Dauer des fortbestehenden Beschäftigungsverbots ab August 2024 einen um monatlich 400,00 EUR brutto höheren Mutterschutzlohn zu zahlen.
Bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts ist grundsätzlich der gesetzlich festgelegte Referenzzeitraum zugrunde zu legen. Dieser ist regelmäßig auch dann maßgeblich, wenn die Frau vor oder nach dem Berechnungszeitraum mehr oder weniger verdient hat. Eine gewisse Schwankungsbreite ist jedem Referenzzeitraum und generell der Bildung eines Durchschnitts immanent und rechtfertigt daher für sich genommen noch keine Abweichung von dem in § 18 Satz 2 MuSchG vorgesehenen dreimonatigen Referenzzeitraum (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 31.05.2023, Az. 5 AZR 305/22). Allerdings gilt – ausnahmsweise – etwas anderes, wenn der dreimonatige Bezugszeitraum nicht geeignet ist, den Durchschnittsverdienst der Frau abzubilden. Dies kann etwa der Fall sein, wenn ihr Arbeitsverdienst in außergewöhnlichem Umfang monatlich schwankt.
Ob es im Ausgangsfall bei dem gesetzlichen Referenzzeitraum der letzten drei Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft bleibt oder ob – wie von der Arbeitgeberin angenommen – § 18 Satz 2 MuSchG ausnahmsweise extensiv dahingehend auszulegen ist, dass für die Berechnung des Mutterschutzlohns der Mitarbeiterin ein Referenzzeitraum von zwölf Monaten zugrunde zu legen ist, ließ sich nicht beurteilen. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts ließ der Umstand, dass die in dem tariflichen Teilzeitmodell beschäftigten Arbeitnehmerinnen „zur Überbrückung der Wintermonate“ seit dem 01.11.2019 in den Monaten November bis Februar eine Winterzulage in Höhe von monatlich 400,00 EUR brutto erhalten hatten, nicht zwangsläufig den Schluss darauf zu, dass damit für diese stets der dreimonatige Referenzzeitraum galt.
Zwar war die Winterzulage im Rahmen der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts nach § 18 Satz 2 MuSchG berücksichtigungsfähig, da es sich bei ihr nicht um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt i.S.v. § 23a Sozialgesetzbuch (SGB) IV handelte, das nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 MuSchG unberücksichtigt bleibt. Gemäß § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind einmalig gezahltes Arbeitsentgelt lediglich solche Zuwendungen, die nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Die Winterzulage knüpfte hingegen an den monatlichen Entgeltabrechnungszeitraum an. Trotz ihrer Zahlung konnte je nach Lage des dreimonatigen Referenzzeitraums und nach Höhe der während der letzten zwölf Monate vor Beginn der Schwangerschaft von der Arbeitnehmerin erzielten variablen Vergütung nicht von vornherein und damit ausnahmslos angenommen werden, dass ein dreimonatiger Referenzzeitraum geeignet war, den durchschnittlichen Verdienst der Frau widerzuspiegeln.
Das Landesarbeitsgericht wird zunächst feststellen müssen, ob ausnahmsweise zur Bestimmung des „durchschnittlichen Arbeitsentgelts“ nach § 18 Satz 2 MuSchG ein zwölfmonatiger Referenzzeitraum zugrunde zu legen ist. Hierfür ist die Höhe des festen als auch des variablen Arbeitsentgelts der Mitarbeiterin in den Monaten Februar 2021 bis Januar 2022 zu ermitteln, wobei etwaige Kürzungen infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis nach den Wertungen des § 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG unberücksichtigt zu bleiben haben. Ggf. könnte auch eine Schätzung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts der Mitarbeiterin nach § 287 Zivilprozessordung (ZPO) in Betracht kommen. Erst wenn danach die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts entsprechend des § 21 Abs. 1 und 2 MuSchG nicht möglich ist, ist nach § 21 Abs. 3 MuSchG das durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt einer vergleichbar beschäftigten Person zugrunde zu legen.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 09.09.2025
Aktenzeichen: 5 AZR 286/24