Unangemessene Benachteiligung durch Klausel zur Rückzahlung von Fortbildungskosten
In § 4 „Rückzahlungsverpflichtung: Weiterbildungskosten“ war u.a. geregelt, dass der Mitarbeiter sich verpflichtet, die nach § 3 vom Arbeitgeber tatsächlich übernommenen Kosten ganz oder teilweise an diesen zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Jahren nach erfolgreicher Beendigung der Fortbildung beendet wird. In § 5 „Rückzahlungsverpflichtung: Freistellungsvergütung (brutto)“ war zudem geregelt, dass sich der Mitarbeiter darüber hinaus verpflichtet, die nach § 2 vom Arbeitgeber während der Freistellung gezahlte (Bruttomonats-)Vergütung – ohne Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung – ganz oder teilweise an diesen zurückzuzahlen.
Im Februar 2022 teilte die E O GmbH dem Mitarbeiter mit, dass für die Weiterbildung voraussichtlich Kosten in Höhe von 88.500 EUR entstehen werden (Ausbildungskosten: rund 16.000 EUR, Freistellungsvergütung: rund 72.500 EUR). Der Mitarbeiter absolvierte vertragsgemäß seine Ausbildung zum Feuerwehrmann / Brandmeister. Das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters ging im Rahmen eines Betriebsübergangs zum 01.01.2023 auf eine andere Arbeitgeberin über. Der Mitarbeiter verzichtete auf einen Widerspruch gegen den Betriebsübergang. Nach Abschluss der Ausbildung zahlte die Arbeitgeberin das Gehalt des Mitarbeiters zunächst nur unvollständig aus. Die Nachzahlungen erfolgten erst im Dezember 2023 und Januar 2024. Im Januar 2024 kündigte der Mitarbeiter das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen ordentlich zum 29.02.2024. Daraufhin verlangte die Arbeitgeberin die anteilige Rückzahlung von Fortbildungskosten in Höhe von rund 70.000 EUR (rund 10.000 EUR Fortbildungskosten und rund 60.000 EUR Vergütungskosten). Der Mitarbeiter verweigerte die Zahlung. Die Arbeitgeberin klagte auf Zahlung.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung der Arbeitgeberin beim Landesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg.
Die Rückzahlungsklausel in § 4 der Fortbildungsvereinbarung führte zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mitarbeiters i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist deshalb unwirksam. Für den in einer Rückzahlungsklausel verwendeten Begriff des Vertretenmüssens kommen zwei vertretbare Auslegungsmöglichkeiten in Betracht: Der Begriff kann i.S.d. § 276 BGB als Verschulden durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten interpretiert werden. Er kann aber auch als dahingehend interpretiert werden, dass er alle Gründe umfasst, die aus der jeweiligen Verantwortungs- und Risikosphäre stammen. Es ist die Auslegung zu wählen, die dem Vertragspartner des Verwenders, also dem Arbeitgeber, zum Erfolg verhilft. Dies ist die zweite Auslegungsmöglichkeit. Denn mit diesem Verständnis (Sphäre des Arbeitnehmers) des „Vertretenmüssens“ erweist sich die Rückzahlungsklausel wie dargelegt als unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Darüber hinaus ist die Klausel auch dann unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn man von einem Vertretenmüssen i.S.d. § 276 BGB in Form der Fahrlässigkeit ausgeht. Zwar ist das Bundesarbeitsgericht bislang nur von einer unangemessenen Benachteiligung ausgegangen, wenn die dauerhafte Leistungsunfähigkeit vom Arbeitnehmer unverschuldet war. Hier ist aber auch die besondere Eigenart des Arbeitsverhältnisses im Feuerwehrdienst zu beachten. Es handelt sich um eine gefährliche Arbeit mit besonderen Risiken und besonderen Ansprüchen an die körperliche Leistungsfähigkeit. Das Risiko einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit ist deutlich höher als bei vielen anderen Berufen. Wenn der Mitarbeiter einen Unfall erleidet, den er durch leichteste Fahrlässigkeit verursacht hat und der zu einer Feuerwehrdienstuntauglichkeit führt, müsste er während der Bindungsfrist ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis fortführen, um einer Rückzahlungsverpflichtung aufgrund einer Eigenkündigung zu entgehen, und zwar nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums sogar ohne Gegenleistung des Arbeitgebers. Hieran kann die Arbeitgeberin kein ernsthaftes und billigenswertes Interesse haben. Ebenso verbliebe aber auch beim Arbeitnehmer kein Mehrwert der Ausbildung, da er den Beruf nicht mehr ausüben kann, weder bei der Arbeitgeberin, noch sonst irgendwo.
Die Rückzahlungsklausel in § 5 der Fortbildungsvereinbarung führte ebenfalls zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mitarbeiters i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und ist deshalb unwirksam. Es handelt sich bereits nicht um eine „Freistellungsvergütung“, sondern um eine Vergütung für geleistete Arbeit i.S.d. § 611a Abs. 2 BGB. Eine Freistellung bewirkt die Suspendierung der Hauptleistungspflicht, nämlich die Pflicht zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeit. Vorliegend war der Mitarbeiter als Brandmeisteranwärter eingestellt worden. Arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung des Mitarbeiters war es, eine Ausbildung zum Brandmeister zu durchlaufen. Diese Arbeitsleistung hat der Mitarbeiter erbracht. Folgerichtig haben die Parteien auch in der Fortbildungsvereinbarung geregelt, dass die Ausbildung als Arbeitszeit angesehen wird.
Eine erbrachte Arbeitsleistung als Freistellung zu deklarieren, um dann die Freistellungsvergütung zurückfordern zu können, ist nicht nur unangemessen benachteiligend, sondern verstößt auch gegen gesetzliche Bestimmungen wie § 611a Abs. 2 BGB, §§ 2, 3 EFZG, §§ 1, 11 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Letztlich ist auch die Erstattungspflicht ihrem Umfang nach dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben nicht zumutbar. Denn sie umfasst maximal die Bruttovergütung für einen Zeitraum von 18 Monaten, vorliegend rund 70.000 EUR. Dies sind mehr als zwei Netto-Jahresvergütungen eines dienstjungen Brandmeisters im öffentlichen Dienst. Der Mitarbeiter ging mithin vollkommen zu Recht davon aus, dass die Klausel ruinös und damit unangemessenen benachteiligend i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist.