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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Unwirksamkeit einer Probezeitkündigung wegen widersprüchlichen Verhaltens

Unwirksamkeit einer Probezeitkündigung wegen widersprüchlichen Verhaltens

Erklärt der Vorgesetzte eines in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses zugleich noch in der Probezeit wie auch in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) befindlichen Arbeitnehmers diesem kurz vor Ende der Probe- und Wartezeit, er werde „natürlich“ übernommen, und spricht derselbe Vorgesetzte dann kurz darauf namens und in Vollmacht des Arbeitgebers die ordentliche Probezeitkündigung aus, kann die Kündigung wegen widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig und damit nach § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nichtig sein.

Ein Mitarbeiter war seit dem 15.06.2023 bei einer Rückversicherung als Wirtschaftsjurist in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Der Arbeitsvertrag beinhaltete allerdings eine Probezeit von sechs Monaten. Der Abteilungsdirektor und Dienstvorgesetzte des Mitarbeiters Herr U., der Prokura besitzt und der als Führungskraft für Personalfragen in der Abteilung Recht/Compliance zuständig ist, hatte den Anstellungsvertrag des Mitarbeiters unterschrieben.

Nach einem Jour Fixe am 17.11.2023 hatte Herr U. dem Mitarbeiter mitgeteilt, dass er die Anfrage von der Personalabteilung erhalten habe, ob der Mitarbeiter mit Blick auf die Probezeit übernommen werden solle. Unstreitig hatte Herr U. dann gesagt: „Das tun wir natürlich.“ Am 04.12.2023 hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung des Mitarbeiters in der Probezeit an. Als Kündigungsgrund wurde angeführt, dass der Mitarbeiter keine ausreichenden Leistungen erbringe und nicht geeignet sei, die ihm übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen. Der Betriebsrat erklärte am 07.12.2023, dass er der Kündigung in der Probezeit zustimme.

Am 08.12.2023 fand ein Gespräch zwischen dem Mitarbeiter und Herrn U. statt, in dessen Verlauf dieser dem Mitarbeiter mitteilte, dass sein Arbeitsverhältnis in der Probezeit beendet werden solle. Er bot ihm allerdings als einvernehmliche Lösung an, befristet bis zum 30.06.2024 für die Arbeitgeberin tätig zu bleiben. Der Mitarbeiter nahm dieses Angebot nicht an. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08.12.2023 zum 22.12.2023, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Der Mitarbeiter klagte gegen die Probezeitkündigung. Er war der Ansicht, die Kündigung verstoße im Hinblick auf die Äußerung des Herrn U. vom 17.11.2023 gegen Treu und Glauben.

Das Arbeitsgericht hatte die gegen die Kündigung gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Mitarbeiters hat das Landesarbeitsgeircht die Entscheidung abgeändert und der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Das Berufungsurteil ist rechtskräftig.

Die Probezeitkündigung war wegen Treuwidrigkeit nach § 242 BGB nichtig.

§ 242 BGB ist auf Kündigungen neben § 1 KSchG nur in beschränktem Umfang anwendbar. Das Kündigungsschutzgesetz hat die Voraussetzungen und Wirkungen des Grundsatzes von Treu und Glauben konkretisiert und abschließend geregelt, soweit es um den Bestandsschutz und das Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes geht. Eine Kündigung verstößt deshalb nur dann gegen § 242 BGB, wenn sie Treu und Glauben aus Gründen verletzt, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 05.12.2019, Az. 2 AZR 107/19). Als solche typische Anwendungsfälle einer treuwidrigen Kündigung sind insbesondere anerkannt ein widersprüchliches Verhalten des Arbeitgebers, der Ausspruch der Kündigung zur Unzeit oder in ehrverletzender Form und eine diskriminierende Kündigung sowie eine solche, die auf einer Auswahlentscheidung beruht, die jede soziale Rücksichtnahme vermissen lässt (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.06.2020, Az. 2 AZR 374/19).

Dementsprechend ist anerkannt, dass § 242 BGB dann zur Nichtigkeit einer Kündigung führen kann, wenn mit dieser ein widersprüchliches Verhalten des kündigenden Arbeitgebers vorliegt (venire contra factum proprium, vgl. Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 30.03.2023, Az. 2 AZR 309/22). Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses kann rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Kündigende sich damit in unvereinbaren Gegensatz zu seinem früheren Verhalten setzt. Zwar begründet nicht jedes widersprüchliche Verhalten den Vorwurf der Treuwidrigkeit nach § 242 BGB. Doch erklärt der Vorgesetzte eines in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses zugleich noch in der Probezeit wie auch in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG befindlichen Arbeitnehmers diesem kurz vor Ende der Probe- und Wartezeit, er werde „natürlich“ übernommen, und spricht derselbe Vorgesetzte dann kurz darauf namens und in Vollmacht des Arbeitgebers die ordentliche Probezeitkündigung aus, kann die Kündigung wegen widersprüchlichen Verhaltens treuwidrig und damit nach § 242 BGB nichtig sein.

Voraussetzung ist zudem, dass der Vorgesetzte Prokurist der Gesellschaft und zugleich die maßgebliche Führungskraft für Personalfragen in der betreffenden Abteilung ist und dass zwischen seiner Erklärung und der nachfolgenden Kündigung keine Vorkommnisse vorgefallen sind, die den Meinungsumschwung sachlich nachvollziehbar und damit nicht willkürlich erscheinen lassen. Für solche, ein durch die übrigen Umstände bereits hinreichend indiziertes widersprüchliches und damit treuwidriges Verhalten rechtfertigende Umstände ist der Arbeitgeber im Rahmen seiner gestuften Darlegungslast darlegungspflichtig.

Erklärt somit – wie hier – ein erkennbar personalentscheidungsbefugter Vertreter der Arbeitgeberin im sechsten Monat der Probezeit und somit angesichts des nahenden Endes derselben, man werde den Mitarbeiter „mit Blick auf die Probezeit“ „natürlich“ übernehmen, wird damit ein berechtigtes Vertrauen auf Arbeitnehmerseite geschaffen, dass die Probezeit „bestanden“ und das Arbeitsverhältnis nunmehr gesichert ist, nämlich unter dem Schutz des Kündigungsschutzgesetzes steht. Hierbei kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, ob – wie der Mitarbeiter es behauptete – zusätzlich noch geäußert wurde, er werde „unbefristet übernommen“. Rechtlich wäre diese Aussage ohnehin ohne Belang, da der Mitarbeiter sich bereits in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis befand.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 14.01.2025

Aktenzeichen: 3 SLa 317/24