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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Vergütung und Schadensersatz für einen als Servicekraft in einer Gaststätte beschäftigten Jurastudenten

Vergütung und Schadensersatz für einen als Servicekraft in einer Gaststätte beschäftigten Jurastudenten

Ein Jurastudent schloss einen Arbeitsvertrag über eine geringfügige Beschäftigung als Servicekraft (Kellner/Bar) in einer Gaststätte und engagierte sich dort für die Wahl eines Betriebsrats. In der Folge wurde er nicht bzw. nicht mehr in dem bisherigen Umfang, der weit über der vertraglichen Vereinbarung und über der Geringfügigkeitsgrenze lag, in den Dienstplan eingeteilt, dann in die Küche versetzt und nach seiner Weigerung, dort zu arbeiten, fristlos gekündigt. Auf seine Klage hat ihm das Landesarbeitsgericht München Vergütung und Schadensersatz für den entgangenen Verdienst zugesprochen. Der Arbeitgeber muss sich zudem für eine altersdiskriminierende Äußerung entschuldigen.

Ein Jurastudent war bei einer Gastwirtschaft als „Aushilfe“ im Service beschäftigt. Die Diensteinteilung erfolgte üblicherweise durch Dienstpläne, die den Beschäftigten über eine WhatsApp-Gruppe übermittelt wurden. Neben der Vergütung der geleisteten Stunden erzielte er unstreitig erhebliche Einnahmen durch Trinkgeld und konnte günstig Essen und Getränke beziehen. Der Mitarbeiter war verpflichtet, zu bestimmten Zeiten vor Dienstantritt und nach Dienstende anwesend zu sein. Diese Zeiten wurden nicht vergütet. Für etwaige zerbrochene Gläser wurde pauschal ein „Gläsergeld“ vom Lohn einbehalten. Der Mitarbeiter initiierte zusammen mit zwei weiteren Arbeitnehmern eine Betriebsversammlung zur Einsetzung eines Wahlvorstandes für eine Betriebsratswahl. In Folge wurde der Mitarbeiter zeitweise nicht mehr zum Dienst eingeteilt und – als er dies monierte – in die Küche versetzt. Nach Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts wegen ausstehender Vergütung erhielt er die fristlose Kündigung. Der Arbeitgeber führte im anschließenden Gerichtsverfahrens zur Verhältnismäßigkeit der Kündigung aus, der Mitarbeiter sei noch jung und habe keine Unterhaltsverpflichtungen.

Nachdem das Arbeitsgericht nur die Kündigung für unwirksam befunden und den Anträgen auf Weiterbeschäftigung und datenschutzrechtlicher Auskunft stattgegeben, die Zahlungsanträge aber abgewiesen hatte, ging der Mitarbeiter hiergegen in Berufung. Er verlangte die Bezahlung geleisteter Arbeit für die grundsätzlich unstreitig geleisteten Vor- und Nacharbeiten für die Tage, an denen er nach Dienstplan gearbeitet hatte. Der Arbeitgeber hatte die Tage nur pauschal bestritten, obwohl er für einen Teil dieser Tage Lohn gezahlt hatte. Weiter verlangte er das einbehaltene Gläsergeld zurück, sowie Kostenersatz für das Waschen der Dienstkleidung. Außerdem forderte der Mitarbeiter Vergütung wegen Annahmeverzugs, da er nach der Betriebsversammlung nicht bzw. nicht im gleichen Umfang wie zuvor zur Arbeit eingeteilt worden war. Schließlich klagte er auf Schadensersatz, da er durch die fehlenden Dienste und die folgende Kündigung Verdiensteinbußen gehabt habe und ihm Sachleistungen und Trinkgeld entgangen seien.

Über das Vermögen des Arbeitgebers wurde zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Mitarbeiter nahm das deshalb unterbrochene Verfahren gegen den Insolvenzverwalter auf und klagte nunmehr auf Feststellung seiner Forderungen zur Insolvenztabelle. Er erweiterte außerdem die Klage hinsichtlich eines Teils der Schadensersatzansprüche auf den Geschäftsführer der Arbeitgeber-GmbH persönlich wegen vorsätzlicher Behinderung der Betriebsratswahl durch seine Nichteinteilung und Kündigung. Er sah in der Kündigung auch eine Altersdiskriminierung und forderte – nachdem eine Entschädigung wegen der Insolvenz nicht erreichbar schien – auf Basis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine Entschuldigung hierfür. Nach Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Arbeitgeber, forderte er mit Klageerweiterung von diesem die Gewährung aufgelaufenen Urlaubs und die Wiederaufnahme in eine unstreitig bestehende Whats-App-Gruppe.

Das Landesarbeitsgericht München hat dem Mitarbeiter mit Urteilen vom 16.04.2025 und 04.06.2025 Vergütung und Schadensersatz für den entgangenen Verdienst zugesprochen. Der Arbeitgeber muss sich zudem für eine altersdiskriminierende Äußerung entschuldigen. Die Versäumnisurteile sind noch nicht rechtskräftig. Bezüglich des restlichen Urteils wurde die Revision nicht zugelassen. Es besteht die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht.

Die Forderungen des Mitarbeiters auf Zahlung des Mindestlohns für erbrachte Arbeit werden zur Insolvenztabelle anerkannt, nachdem die Arbeitsleistung über Dienstpläne nachgewiesen wurde, denen Arbeitgeber und Insolvenzverwalter nicht weiter substantiiert entgegengetreten waren. „Gläsergeld“ durfte der Arbeitgeber wegen Verstoßes gegen die vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung nicht einbehalten. Auch muss der Arbeitgeber Aufwendungsersatz zur Reinigung der Dienstkleidung leisten. Diesen Ansprüchen ist der Arbeitgeber nicht entgegengetreten. Da der Mitarbeiter durch die Einteilung von Diensten in Dienstplänen in erheblichem Umfang zur Arbeitsleistung herangezogen worden war, geriet der Arbeitgeber in Annahmeverzug, als er die Dienste des Mitarbeiters nicht mehr in gleichem Umfang wie zuvor in Anspruch nehmen wollte. Eines Angebots der Arbeitsleistung durch den Mitarbeiter bedurfte es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in diesem Falle nicht, nachdem der Arbeitgeber trotz des bisherigen Arbeitsumfangs weiterhin von einer geringfügigen Tätigkeit ausging. Der Mitarbeiter hat auch Anspruch auf Schadensersatz, da als Motivation für die fehlende Einteilung und die Kündigung das Initiieren einer Betriebsratswahl unter Beteiligung des Mitarbeiterss erwiesen war. Dementsprechend wurde festgestellt, dass die hieraus resultierenden Forderungen – vor allem entgangener Verdienst und Trinkgelder – aufgrund unerlaubter Handlung entstanden sind.

Für einen Teil der Schadensersatzansprüche haftet zudem der Geschäftsführer der insolventen Arbeitgeber-GmbH persönlich, weil er gegen das gesetzliche Verbot gem. § 20 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verstoßen hat, wonach niemand die Wahl des Betriebsrats durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen beeinflussen darf. In einem solchen Ausnahmefall wird von der Rechtsprechung eine Durchgriffshaftung zugelassen. Der Geschäftsführer war diesen Ansprüchen nur unzureichend entgegengetreten, da er die Klageerweiterung in zweiter Instanz auf seine Person als unzulässig ansah. Die Klageerweiterung war jedoch zulässig, weil der Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter des Arbeitgebers schon in der ersten Instanz beteiligt war und somit eine Einflussnahmemöglichkeit auf das Verfahren hatte.

Soweit die Arbeitgeberin verurteilt wurde, sich wegen der Diskriminierung zu entschuldigen, beruht dies auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Az. C-507/23) deren Voraussetzungen der Mitarbeiter schlüssig vorgetragenen hatte. Der Arbeitgeber ist dem diesbezüglichen Sachvortrag nicht entgegengetreten und zudem in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen, sodass diesbezüglich ein Versäumnisurteil erging. Gleichermaßen erging ein Versäumnisurteil gegen die neue Arbeitgeberin, die hinsichtlich der gegen sie erhobenen Ansprüche auf Urlaubsgewährung und Aufnahme in die WhatsApp-Gruppe nichts vorgetragen hatte und ebenfalls nicht zur Verhandlung erschien.

Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 16.04.2025

Aktenzeichen: 11 Sa 456/23