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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Wirksamkeit einer Betriebsratswahl nach dem vereinfachten einstufigen Wahlverfahren

Wirksamkeit einer Betriebsratswahl nach dem vereinfachten einstufigen Wahlverfahren

Macht der Wahlvorstand bei der Durchführung einer Betriebsratswahl nach dem vereinfachten einstufigen Wahlverfahren den einzigen Wahlvorschlag schon vor Ablauf der gesetzlichen Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen nach § 14a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bekannt, nachdem er ihn als gültig anerkannt hat, begründet dies allein nicht die Anfechtbarkeit der Wahl.

In einem Gemeinschaftsbetrieb zweier Unternehmen in Sachsen-Anhalt mit ca. 77 Arbeitnehmern, in dem Kunststoffteile hergestellt werden, war am 16.05.2022 ein Betriebsrat gewählt worden. Zur Einleitung der Wahl hatte der vom vormaligen Betriebsrat bestellte Wahlvorstand am 24.03.2022 ein Wahlausschreiben unter Angabe der Firmenadresse der Arbeitgeberinnen erlassen. In diesem war darauf hingewiesen worden, dass Einwände gegen die Wählerliste vor Ablauf von drei Tagen seit Aushang des Wahlausschreibens schriftlich einzulegen seien; als letzter Tag wurde der 25.04.2022 benannt.

Beim Wahlvorstand gingen keine Einsprüche gegen die Wählerliste ein. Der vormalige Vorsitzende des Betriebsrats – Mitglied des Wahlvorstands und Wahlbewerber – sammelte am 06.05.2022 ab 10 Uhr 16 Stützunterschriften für eine Wahlvorschlagsliste, auf der acht Bewerber aufgeführt waren. Noch am selben Tag machte der Wahlvorstand zu einem Zeitpunkt zwischen 14:30 Uhr und 15 Uhr den von ihm als gültig anerkannten Wahlvorschlag mit dem vormaligen Betriebsratsvorsitzenden als Wahlvorschlagsvertreter an dem im Wahlausschreiben benannten Ort bekannt.

Die beiden Arbeitgeberinnen und Trägerinnen des Gemeinschaftsbetriebs haben die Wahl angefochten. Sie waren der Ansicht, das Wahlausschreiben enthielte fehlerhafte Angaben. Der vormalige Betriebsratsvorsitzende habe im Zusammenhang mit dem Sammeln von Stützunterschriften als Mitglied des Wahlvorstands unter Missachtung seiner Neutralitätspflicht auf einen Arbeitnehmer eingewirkt; er hätte im Übrigen nur für sich selbst um Stützunterschriften werben dürfen. Die bereits am Nachmittag des 06.05.2022 ausgehängte Liste mit acht Bewerbern sei vor Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist zur Einreichung von Wahlvorschlägen und damit zu Unrecht verfrüht bekannt gemacht worden. Dies habe weitere Wahlvorschläge verhindert haben können.

Das Arbeitsgericht hatte dem Antrag stattgegeben und die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Das Landesarbeitsgericht hatte die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat das Bundesarbeitsgericht den Beschluss des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Die bereits am Nachmittag des 06.05.2022 erfolgte Bekanntmachung des vom Wahlvorstand als gültig anerkannten Wahlvorschlags begründete keinen Anfechtungsgrund. § 36 Abs. 5 Satz 3 der Wahlordnung (WO) i.V.m. § 14a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG bildet eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren (nur) insofern, als mit ihr eine – zeitpunktabhängig definierte – Pflicht des Wahlvorstands zur Bekanntmachung der für gültig befundenen Wahlvorschläge festgelegt ist. Ein Regelungsinhalt, dass die Bekanntmachung vor Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist strikt untersagt ist, kommt § 36 Abs. 5 Satz 3 WO i.V.m. § 14a Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BetrVG nicht zu. Hierfür spricht schon der Wortlaut der Bestimmung. Zwar ist § 36 Abs. 5 Satz 3 WO zwingend formuliert („hat“); dies bringt aber nur zum Ausdruck, dass der Wahlvorstand nach Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist zur Bekanntmachung der als gültig anerkannten Wahlvorschläge verpflichtet ist. Daraus folgt aber nicht zwangsläufig, dass es ihm (zugleich) verboten ist, die Bekanntgabe zu einem früheren Zeitpunkt vorzunehmen. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts deuten die unterschiedlichen textlichen Fassungen der die Wahlvorschläge betreffenden Bekanntmachungspflichten im Regelwahlverfahren und im vereinfachten Wahlverfahren auf kein mit § 36 Abs. 5 Satz 3 WO aufgestelltes Bekanntmachungsverbot vor Ablauf der gesetzlichen Mindestfrist.

Zwar benennt die bei der Wahl von mehr als fünf Betriebsratsmitgliedern (aufgrund von Vorschlagslisten) geltende Bekanntmachungspflicht des § 10 Abs. 2 WO ausdrücklich einen „Spätestens-Zeitpunkt“ („spätestens eine Woche vor Beginn der Stimmabgabe“), während sich § 36 Abs. 5 Satz 3 WO einer solchen Formulierung enthält. Ein daraus folgender Umkehrschluss verbietet sich aber bereits wegen der auf die unterschiedlichen Wahlverfahren abhebenden Systematik der Wahlordnung. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass der Wahlvorstand im vereinfachten Wahlverfahren bezüglich der Bekanntmachung von Wahlvorschlägen einer stärkeren Bindung unterliegen soll.

Das Landearbeitsgericht hatte einen Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren im Zusammenhang einer nachträglichen schriftlichen Stimmabgabe übersehen. Das Bundesarbeitsgericht vermochte aber nicht zu beurteilen, ob dieser geeignet war, das Wahlergebnis zu beeinflussen. Insofern wurde die Sache an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 27.11.2024

Aktenzeichen: 7 ABR 32/23