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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz

Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz

Eine interne Regel eines Unternehmens, die das sichtbare Tragen religiöser, weltanschaulicher oder spiritueller Zeichen verbietet, stellt keine unmittelbare Diskriminierung dar, wenn sie allgemein und unterschiedslos auf alle Arbeitnehmer angewandt wird.

Seit 2018 stehen sich eine Muslimin, die das islamische Kopftuch trägt, und eine Gesellschaft, die Sozialwohnungen verwaltet, in einem Rechtsstreit gegenüber. In diesem Rechtsstreit geht es darum, dass eine Initiativbewerbung der Muslimin um ein Praktikum nicht berücksichtigt wurde, weil sie während eines Gesprächs angegeben hatte, dass sie sich weigere, ihr Kopftuch abzunehmen, um der bei der Arbeitgeberin geltenden und in ihrer Arbeitsordnung niedergelegten Neutralitätspolitik nachzukommen. Einige Wochen später erneuerte die Bewerberin ihre Bewerbung um ein Praktikum bei der Arbeitgeberin und schlug vor, eine andere Kopfbedeckung zu tragen, was ihr mit der Begründung verweigert wurde, dass in den Geschäftsräumen des Unternehmens keine Kopfbedeckung erlaubt sei, sei es eine Mütze, eine Kappe oder ein Kopftuch. Die Bewerberin zeigte daraufhin bei der für die Bekämpfung der Diskriminierung zuständigen unabhängigen öffentlichen Einrichtung eine Diskriminierung an und erhob sodann beim französischsprachigen Arbeitsgericht von Brüssel eine Unterlassungsklage: Damit rügte sie, dass kein Praktikumsvertrag geschlossen worden sei, was ihrer Ansicht nach unmittelbar oder mittelbar auf ihrer religiösen Überzeugung beruht, und warf der Arbeitgeberin somit vor, gegen die Bestimmungen des allgemeinen Antidiskriminierungsgesetzes verstoßen zu haben. Das Arbeitsgericht hat dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob die in der Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verwendeten Begriffe „Religion oder … Weltanschauung“ als zwei Facetten ein und desselben geschützten Merkmals oder vielmehr als zwei verschiedene Merkmale anzusehen sind. Zudem möchte es vom Gerichtshof wissen, ob das in der Arbeitsordnung der Arbeitgeberin niedergelegte Verbot, ein konnotiertes Zeichen oder Bekleidungsstück zu tragen, eine unmittelbare Diskriminierung wegen der Religion darstellt.

In seinem Urteil führte der Europäische Gerichtshof aus, dass Art. 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass die darin enthaltenen Begriffe „Religion oder … Weltanschauung“ einen einzigen Diskriminierungsgrund darstellen, der sowohl religiöse als auch weltanschauliche oder spirituelle Überzeugungen umfasst. Er weist insoweit darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung der Diskriminierungsgrund „der Religion oder der Weltanschauung“ von dem Grund „der politischen oder sonstigen Anschauung“ zu unterscheiden ist. Eine Bestimmung in einer Arbeitsordnung eines Unternehmens, die es den Arbeitnehmern verbietet, ihre religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen, welche diese auch immer sein mögen, durch Worte, durch die Kleidung oder auf andere Weise zum Ausdruck zu bringen, gegenüber Arbeitnehmern, die ihre Religions- und Gewissensfreiheit durch das sichtbare Tragen eines Zeichens oder Bekleidungsstücks mit religiösem Bezug ausüben möchten, stellt keine unmittelbare Diskriminierung „wegen der Religion oder der Weltanschauung“ im Sinne des Unionsrechts dar, wenn diese Bestimmung allgemein und unterschiedslos angewandt wird. Da jede Person eine Religion oder religiöse, weltanschauliche oder spirituelle Überzeugungen haben kann, begründet eine solche Regel nämlich, sofern sie allgemein und unterschiedslos angewandt wird, keine Ungleichbehandlung, die auf einem Kriterium beruht, das untrennbar mit der Religion oder der Weltanschauung verbunden ist.

Eine interne Regel wie die bei der Arbeitgeberin angewandte kann indessen eine mittelbar auf der Religion oder der Weltanschauung beruhende Ungleichbehandlung darstellen, wenn sich erweist – was zu prüfen Sache des Arbeitsgericht ist -, dass die dem Anschein nach neutrale Verpflichtung, die sie enthält, tatsächlich dazu führt, dass Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt werden. Zu ergänzen ist, dass eine Ungleichbehandlung keine mittelbare Diskriminierung darstellen würde, wenn sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt wäre und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich wären. Dabei reicht allerdings der bloße Wille eines Arbeitgebers, eine Neutralitätspolitik zu betreiben – auch wenn er an sich ein legitimes Ziel darstellt -, für sich genommen nicht aus, um eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung sachlich zu rechtfertigen, da eine sachliche Rechtfertigung nur bei Vorliegen eines wirklichen Bedürfnisses des Arbeitgebers festgestellt werden kann, das er nachzuweisen hat. Schließlich verhält es sich so, dass das Unionsrecht es einem nationalen Gericht bei der Beurteilung der Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung nicht verwehrt, im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen denen der Religion oder der Weltanschauung größere Bedeutung beizumessen als denen, die sich u.a. aus der unternehmerischen Freiheit ergeben, soweit sich dies aus seinem innerstaatlichen Recht ergibt. Der den Mitgliedstaaten eingeräumte Wertungsspielraum kann insoweit jedoch nicht so weit gehen, dass es ihnen oder den nationalen Gerichten erlaubt wäre, einen der in Art. 1 der Richtlinie abschließend aufgeführten Diskriminierungsgründe in mehrere Gründe aufzuspalten, da sonst der Wortlaut, der Kontext und der Zweck dieses Grundes in Frage gestellt würden und die praktische Wirksamkeit des allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf beeinträchtigt würde.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13.10.2022

Aktenzeichen: C-344/20