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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

Kein Urlaubsverzicht durch Prozessvergleich

Weder der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch ein erst künftig – mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – entstehender Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs darf im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dies gilt selbst dann, wenn bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung regelt, bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen kann.

Ein Mitarbeiter vom 01.01.2019 bis zum 30.04.2023 als Betriebsleiter bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Im Jahr 2023 war er von Beginn an bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und deshalb nicht in der Lage, seinen Urlaub aus diesem Jahr in Anspruch zu nehmen. Die Arbeitgeberin kündigte das Arbeitsverhältnis, wogegen der Mitarbeiter Klage erhob. In einem gerichtlichen Vergleich vom 31.03.2023 verständigten sich der Mitarbeiter und die Arbeitgeberin u.a. darauf, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung i.H.v. 10.000 EUR durch arbeitgeberseitige Kündigung mit Wirkung zum 30.04.2023 endet. Ziffer 7 des Vergleichs lautete:

„Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“

In der dem Vergleichsschluss vorausgehenden Korrespondenz zwischen den Parteien hatte die Prozessbevollmächtigte des Mitarbeiters ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichtet werden könne, sich später aber unter Hinweis auf die geäußerten rechtlichen Bedenken gleichwohl mit dem Vergleich einverstanden erklärt.

Nach Abschluss des Vergleichs verlangte der Mitarbeiter von der Arbeitgeberin, die noch offenen sieben Tage gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023 mit einem Betrag von 1.615,11 EUR nebst Zinsen abzugelten. Er meinte, der in dem gerichtlichen Vergleich geregelte Verzicht auf den unabdingbaren Mindesturlaub sei unwirksam. Die Arbeitgeberin verweigerte die Urlaubsabgeltung und berief sich auf die Vereinbarung in dem gerichtlichen Vergleich, wonach die Urlaubsansprüche in natura gewährt wurden. Jedenfalls meinte sie, könne sich der Mitarbeiter nach Treu und Glauben nicht auf Unwirksamkeit des Anspruchsausschlusses berufen, da er dem gerichtlichen Vergleich ja zugestimmt habe.

Das Arbeitsgericht hatte der Klage stattgegeben und die Arbeitgeberin zur Zahlung verurteilt. Die Berufung der Arbeitgeberin wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Auf die Revision der Arbeitgeberin hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil bestätigt und die Revision zurückgewiesen.

Der Mitarbeiter hatte gemäß § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) einen Anspruch auf Abgeltung seines nicht erfüllten gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023. Der Urlaubsanspruch war nicht durch Ziffer 7 des Prozessvergleichs vom 31.03.2023 erloschen. Die Vereinbarung, Urlaubsansprüche seien in natura gewährt, war gemäß § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als unwirksam anzusehen, soweit sie einen nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG unzulässigen Ausschluss des gesetzlichen Mindesturlaubs regeln sollte.

Weder der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub noch ein erst künftig – mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses – entstehender Anspruch auf Abgeltung gesetzlichen Mindesturlaubs darf im Voraus ausgeschlossen oder beschränkt werden. Dies gilt selbst dann, wenn bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung regelt, bereits feststeht, dass der Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nicht mehr in Anspruch nehmen kann.

Der bezahlte Mindesturlaub darf nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden. Im bestehenden Arbeitsverhältnis darf der Arbeitnehmer somit nicht gegen und erst recht nicht ohne finanziellen Ausgleich auf den gesetzlichen Mindesturlaub „verzichten“.

Ziffer 7 des Prozessvergleichs enthielt hier keinen sog. Tatsachenvergleich, auf den § 13 Abs. 1 Satz 3 BUrlG nicht anzuwenden wäre. Ein solcher setzt nämlich voraus, dass eine bestehende Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Angesichts der seit Anfang des Jahres 2023 durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters bestand vorliegend kein Raum für eine Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs.

Der Einwand der Arbeitgeberin, dem Mitarbeiter sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit des Anspruchsausschlusses zu berufen, blieb erfolglos. Die Arbeitgeberin durfte nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 03.06.2025
Aktenzeichen: 9 AZR 104/24