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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Bezahlte Frühstückspause kann nicht einfach durch Betriebsvereinbarung abgeschafft werden

Bezahlte Frühstückspause kann nicht einfach durch Betriebsvereinbarung abgeschafft werden

Eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung, nach der ein tarifgebundener Arbeitgeber den Arbeitnehmern künftig keine Freistellung von der Arbeitspflicht für eine Frühstückspause während der Arbeitszeit mehr gewährt, enthält keine Änderung eines betrieblichen Entlohnungsgrundsatzes und unterliegt damit nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Ein Mitarbeiter war seit 2004 als Werkstattmeister bei einem Unternehmen tätig, das Beförderungsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr erbringt und Mitglied im Arbeitgeberverband Deutscher Eisenbahnen e.V. (AGV Deutscher Eisenbahnen) ist. In § 12 Abs. 1 des Arbeitsvertrags war vereinbart, dass Änderungen nur wirksam sind, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Die Aufhebung des Schriftformerfordernisses bedarf ebenfalls der Schriftform. Der vom AGV Deutscher Eisenbahnen geschlossene Tarifvertrag sah selbst Regelungen für den Fall einer „Arbeitsversäumnis“ vor.

Die im Werkstattbereich beschäftigten Arbeitnehmer erhielten neben der gesetzlichen Ruhepause über viele Jahre während ihrer Arbeitszeit eine 15-minütige Frühstückspause unter Fortzahlung der Vergütung. Im September 2018 hatte die Arbeitgeberin mit dem Betriebsrat jedoch eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wonach die „bisher geübte Praxis der Vergütung einer 15-minütigen Frühstückspause im Werkstattbereich … dauerhaft und mit sofortiger Wirkung eingestellt“ werden sollte. Seitdem zahlt die Arbeitgeberin keine Vergütung mehr für eine Frühstückspause. Der Mitarbeiter nimmt eine solche Pause seitdem nicht mehr in Anspruch.

Der Mitarbeiter war der Ansicht, bei der Arbeitgeberin habe eine betriebliche Übung über die Gewährung einer bezahlten Frühstückspause im Werkstattbereich bestanden. Diese sei mangels Betriebsvereinbarungsoffenheit nicht durch die Regelung aus September 2018 abgelöst worden. Zudem liege ein Verstoß gegen § 77 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor. Nach § 77 Abs. 3 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, wenn nicht ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Die Arbeitgeberin müsse ihm für jeden Tag, an dem er in den Jahren 2019 bis 2023 während seiner Arbeit keine Frühstückspause gemacht habe, 15 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto gutschreiben. Die Arbeitgeberin sah dies anders und verweigerte die Zeitgutschrift. Der Mitarbeiter klagte beim Arbeitsgericht.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Mitarbeiters wurde vom Landesarbeitsgericht zurüpckgewiesen. Auf die Revision des Mitarbeiters hat das Bundesarbeitsgericht das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und  Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Eine möglicherweise rechtswirksam entstandene betriebliche Übung über die Gewährung einer bezahlten zusätzlichen Frühstückspause von 15 Minuten im Werkstattbereich war nicht durch die RBetriebsvereinbarung beseitigt worden. Die betreffende Bestimmung in der Betriebsvereinbarung ist wegen Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam.

Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG war nicht unter dem Gesichtspunkt einer mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit i.S.v. § 87 Abs. 1 BetrVG aufgehoben. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat zwar nicht nur bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, sondern auch bei der Lage der Pausen mitzubestimmen. Die in dieser Norm angesprochenen Pausen sind jedoch nur Ruhepausen, durch die die Arbeitszeit unterbrochen wird, die also nicht selbst zur Arbeitszeit gehören. Eine Bestimmung, nach der eine bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht für eine Frühstückspause nicht mehr erfolgt, wird daher von diesem Mitbestimmungstatbestand nicht erfasst.

Gleiches gilt für § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Danach steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit zu. Um eine solche Maßnahme handelt es sich bei der hier vorliegenden Regelung aber nicht. Sie betrifft nicht die Dauer der für die Arbeitnehmer im Werkstattbereich geltenden Arbeitszeit, sondern lediglich die bezahlte Freistellung von der Arbeitspflicht für eine Frühstückspause. Der Umfang der betriebsüblichen Arbeitszeit im Werkstattbereich bleibt unverändert. Auch § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG greift nicht ein. Bei der Aufhebung einer täglichen, kurzzeitigen Freistellung von der Pflicht zur Erbringung von – ggf. schweren – Arbeiten handelt es sich nicht um eine auf den Arbeitsschutz abzielende Maßnahme.

Die nach den Behauptungen des Mitarbeiters bei der Arbeitgeberin bestehende betriebliche Übung – die durch die Betriebsvereinbarung beendet werden sollte – bezieht sich ausschließlich auf eine Freistellung von der Arbeitspflicht. Die tarifgebundene Arbeitgeberin hat den Arbeitnehmern keine über das geschuldete Entgelt hinausgehende vermögenswerte Leistung zugewendet, sondern sie lediglich kurzfristig und situativ gebunden von ihrer Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung befreit. Damit hat sie nicht das Vermögen der begünstigten Arbeitnehmer gemehrt, sondern ihnen nur zusätzliche arbeitsfreie Zeit gewährt. Die Einstellung einer solchen Praxis führt gerade nicht dazu, dass sich der relative Abstand der jeweiligen Vergütungen zueinander geändert hätte. Die Arbeitnehmer im Betrieb erhalten – auch wenn die im Werkstattbereich tätigen Arbeitnehmer keine bezahlte Frühstückspause mehr nehmen können – weiterhin unverändert dieselbe Vergütung.

Die Sache ist allerdings noch nicht zur Endentscheidung reif, da das Bundesarbeitsgericht auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen kann, ob der Antrag, einem Arbeitszeitkonto Stunden „gutzuschreiben“, hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist. Das Landesarbeitsgericht muss dem Mitarbeiter Gelegenheit geben, seinen Feststellungsantrag anzupassen.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.05.2025

Aktenzeichen: 1 AZR 120/24