Außerordentliche Kündigung wegen Tätlichkeit gegenüber einem Vorgesetzten trotz fehlender erheblicher Gewalt
Am 25.10.2024 hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Mitarbeiters an. Am selben Tag erteilte der Betriebsrat seine Zustimmung. Mit Schreiben vom 29.10.2024 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise fristgerecht zum 31.01.2025. Der Mitarbeiter klagte gegen die Kündigung.
Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben. Der Vorfall vom 22.10.2024 rechtfertige weder die außerordentliche Kündigung noch die ordentliche Kündigung ohne vorherige Abmahnung. Auf die Berufung der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.
Es lagen Tatsachen vor, aufgrund derer der Arbeitgeberin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden konnte. Zwar ging das Gericht nicht davon aus, dass der Mitarbeiter dem E. durch den Stoß und den Tritt erhebliche Schmerzen zugefügt hatte. Die Tätlichkeit gegenüber einem Vorgesetzten kann aber eine außerordentliche Kündigung auch dann rechtfertigen, wenn sie nicht mit erheblicher Gewaltanwendung erfolgt.
Ein vorheriges Fehlverhalten des E. war nicht zu erkennen. Es mag sein, dass es unangemessen ist, auf das private Smartphone eines anderen zu schauen. Es war hier aber nicht zu erkennen, dass E. versucht hatte, die von dem Mitarbeiter angesehenen Inhalte auf dem Smartphone zu sehen. Es war vielmehr davon auszugehen, dass E. sich lediglich davon überzeugt hatte, dass es sich bei dem von dem Mitarbeiter genutzten Gerät um dessen privates Smartphone handelte.
Zugunsten des Mitarbeiters konnte lediglich seine etwas mehr als fünfjährige Betriebszugehörigkeit berücksichtigt werden. Demgegenüber wog zu seinen Lasten die Erheblichkeit der Pflichtverletzung schwer. Der Mitarbeiter hatte sich gegenüber dem ihm vorgesetzten E. respektlos und unter Anwendung körperlicher Gewalt verhalten. Er hat auch nicht bestritten, dass er zu ihm „hau ab hier“ gesagt hatte. Bereits diese Ansprache stellte ein erhebliches Fehlverhalten dar, denn es stand dem Mitarbeiter nicht zu, einen Vorgesetzten in dieser Art anzusprechen. Dieses Fehlverhalten wurde durch das Stoßen und den Tritt wesentlich verstärkt. Eine Abmahnung war insofern entbehrlich.