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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Benachteiligung wegen Schwerbehinderung trotz verspäteter Bewerbung?

Benachteiligung wegen Schwerbehinderung trotz verspäteter Bewerbung?

Eine Verletzung des allgemeinen Bewerbungsverfahrensanspruchs (hier: Feststellung einer Fristversäumnis) führt zwar auch zu einer Benachteiligung des Bewerbers. Eine solche Benachteiligung weist jedoch nicht zwangsläufig einen Zusammenhang mit einer Schwerbehinderung auf. Ebenso wenig löst sie einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aus.

Ein im November 1987 geborener Stellenbewerber hatte nach seinem Abitur den Grundwehrdienst absolviert und war dann zur Bundespolizei gegangen, wo er 2011 die Laufbahnprüfung des gehobenen Polizeivollzugsdienstes mit der Note „befriedigend“ bestanden hatte. Zudem erwarb er den akademischen Grad „Diplom-Verwaltungswirt (FH)“. Anschließend war er bis Mai 2012 als Polizeikommissar am Flughafen tätig gewesen. Danach machte er noch seinen Master of Public Administration und war fortan in verschiedenen Behörden als Sachbearbeiter bzw. Leiter tätig. Ab Februar 2018 arbeitete er in wechselnden Aufgabenbereichen bei einem privaten Sicherheitsunternehmen.

Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, der rund 30 Mitarbeiter/innen beschäftigt, hatte am 07.04.2020 über das Portal „Interamt.de“ den zum 01.09.2020 zu besetzenden Dienstposten „Amtsleitung für Zentrale Dienste und Finanzen (m/w/d)“ mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe 11 TVöD-VKA ausgeschrieben. Die Bewerbungsfrist lief bis Freitag, 08.05.2020. Auf diese Stelle bewarb sich der Bewerber, bei dem zu diesem Zeitpunkt eine Schwerbehinderung mit einem GdB von 50 festgestellt war, mit einem per E-Mail übersandten Schreiben vom 11.05.2020, das 56 Seiten umfasste. Der Leitende Verwaltungsbeamte druckte die E-Mail aus und vermerkte darauf handschriftlich „verfristet!“. Er wies die Personalleiterin an, dem Bewerber eine Absage zu erteilen. Eine Schwerbehindertenvertretung existiert bei dem Arbeitgeber nicht.

Mit E-Mail vom 22.11.2020 erkundigte sich der Bewerber nach dem Stand des Bewerbungsverfahrens. Der Arbeitgeber antwortete darauf am 26.11.2020 und verwies auf die schriftliche Absage vom 15.05.2020. Am 24.01.2021 forderte der Bewerber von dem Arbeitgeber eine Entschädigung i.H.v. 11.568 EUR. Er war der Ansicht, dass der Arbeitgeber ihn wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt habe.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Bewerbers blieb vor dem Landesarbeitsgericht erfolglos.

Der Bewerber hat gegenüber der Arbeitgeber keinen Anspruch gem. § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf Zahlung einer Entschädigung, da er nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt wurde.

Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, begründet zwar regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung. Das gilt auch für einen Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen die in § 165 Satz 3 Sozialgesetzbuch (SGB) IX geregelte Pflicht zur Einladung eines schwerbehinderten oder diesem gleichgestellten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch. Die Widerlegung der aus einem Verstoß gegen § 165 Satz 3 SGB IX folgenden Vermutung setzt den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fehlende fachliche Eignung des Bewerbers bzw. der Bewerberin berühren.

Das Arbeitsgericht hatte die Ursache des Ausschlusses aus dem weiteren Bewerbungsverfahren allein in der Verfristung der Bewerbung gesehen. Eine Verletzung des allgemeinen Bewerbungsverfahrensanspruchs führt zwar auch zu einer Benachteiligung des Bewerbers. Eine solche Benachteiligung weist jedoch nicht zwangsläufig einen Zusammenhang mit einer Schwerbehinderung auf. Ebenso wenig löst sie einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz aus, sondern gewährt ggf. die Möglichkeit, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine endgültige Besetzung der Stelle zeitweise zu verhindern. Zudem können sich daraus Schadensersatzansprüche ergeben. Die beim Arbeitgeber „gelebte Praxis“ mag rechtswidrig sein. Sie trifft jedoch alle Bewerber/innen gleichermaßen, und zwar unabhängig von einer Schwerbehinderung, dem Geschlecht, der ethnischen Herkunft, der Religion etc.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 05.12.2023
Aktenzeichen: 5 Sa 3/23