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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Betriebsschließung: Massenentlassung und Sozialauswahl

Betriebsschließung: Massenentlassung und Sozialauswahl

Bei einer etappenweisen Betriebsstillegung hat der Arbeitgeber keine freie Auswahl, wem er früher oder später kündigt. Es sind grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmer mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen.

Ein Mitarbeiter arbeitete seit dem Jahr 2012 bei einem Unternehmen, das Aluminiumgussteile herstellte und vertrieb. Die Arbeitgeberin beschäftigte in ihrem einzigen Betrieb zuletzt knapp 600 Arbeitnehmer. Am 01.03.2022 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Der Sachwalter und der Gläubigerausschuss stimmten der Einstellung der Geschäftstätigkeit zum 31.12.2022 zu.

Nachdem die Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs am 24.11.2022 durch Spruch der Einigungsstelle für gescheitert erklärt wurden, stellte die Beklagte am 28.11.2022 Anträge auf behördliche Zustimmungen zur betriebsbedingten Kündigung nach dem Sozialgesetzbuch  IX (schwerbehinderte Menschen) und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (Elternzeit). Den Beschäftigten wurde die Gelegenheit eingeräumt, in eine Transfergesellschaft zu wechseln. Im Dezember 2022 sprach die Arbeitgeberin gegenüber allen Beschäftigten betriebsbedingte Beendigungskündigungen aus, soweit das Ende des Arbeitsverhältnisses nicht aus anderen Gründen feststand.

Alle Arbeitnehmer, auch der klagende Mitarbeiter dieses Verfahrens, wurden ab dem 01.01.2023 unwiderruflich von der Arbeit freigestellt. Ausgenommen waren die Beschäftigten des Abwicklungsteams, das ausweislich der von der Arbeitgeberin vorgelegten Anlage 53 Arbeitnehmer umfasste, wobei gegenüber dreizehn Personen Kündigungen zum 31.03.2023 und gegenüber den übrigen vierzig Personen Kündigungen zum 30.06.2023 ausgesprochen wurden. Das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters kündigte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 16.12.2022 zum 31.03.2023. Der Mitarbeiter klagte gegen die Kündigung.

Das Arbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage statt. Die Berufung der Arbeitgeberin hatte vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Das Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

Der Mitarbeiter konnte sich zwar nicht auf § 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) i.V.m. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berufen wegen einer nicht ordnungsgemäßen Massenentlassungszeige. Etwaige Fehler in diesem Zusammenhang stellen keinen Unwirksamkeitsgrund dar, weil Zweck der Anzeige nicht der Individualschutz der Arbeitnehmer ist. Die Kündigung war aber aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) rechtsunwirksam.

Bei einer etappenweisen Betriebsstillegung hat der Arbeitgeber keine freie Auswahl, wem er früher oder später kündigt. Es sind grundsätzlich die sozial schutzwürdigsten Arbeitnehmer mit den Abwicklungsarbeiten zu beschäftigen. Die Arbeitgeberin hatte vorliegend die Sozialauswahl methodisch fehlerhaft durchgeführt, weil sie die Vergleichsgruppen fehlerhaft gebildet hatte. Sie hatte diese u.a. anhand der ursprünglich ausgeübten Tätigkeiten gebildet. Sie hätte die soziale Auswahl stattdessen anhand der noch im Abwicklungsteam anfallenden Tätigkeiten vornehmen müssen, zu denen die Arbeitgeberin nur unvollständig vorgetragen hatte. Es fehlte weitgehend an Vortrag dazu, welche Aufgaben mit welcher Dauer im Abwicklungsteam anfielen, welche Anforderungsprofile dafür erforderlich waren und wie auf dieser Grundlage ein Vergleich vorgenommen werden soll. Die daraus folgende Vermutung der fehlerhaften Sozialauswahl hatte die Arbeitgeberin nicht widerlegt.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.01.2024

Aktenzeichen: 3 Sa 529/23