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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews LAG Hamm: Quarantäne-Zeit ist nicht auf den Urlaub anzurechnen

LAG Hamm: Quarantäne-Zeit ist nicht auf den Urlaub anzurechnen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm ist der Auffassung, dass Zeiten einer Corona-Quarantäne nicht auf den Urlaub anzurechnen sind. Fallen bereits bewilligte Urlaubstage mit einer amtlichen Quarantäne-Anordnung zusammen, sind diese nicht auf den Jahresurlaub anzurechnen, sondern dem Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt nachzugewähren. Mit dieser Entscheidung weicht das LAG Hamm u.a. von der Auffassung des LAG Düsseldorf (Urt. v. 15.10.2021, Az. 7 Sa 857/21) und des LAG Köln (Urt. v. 13.12.2021, Az.  2 Sa 488/21) ab. Deshalb wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

In dem zugrundeliegenden Fall stritten Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Gutschrift von acht Urlaubstagen für das Jahr 2020. Der Arbeitnehmer ist seit 1993 als Schlosser bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie NRW Anwendung. In der Zeit vom 12.10. bis 21.10.2020 gewährte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer antragsgemäß Urlaub im Umfang von acht Tagen. Unter dem 14.10.2020 erließ die Stadt Hagen eine Ordnungsverfügung, mit welcher sie die Absonderung des Arbeitnehmers in häusliche Quarantäne für die Zeit vom 09.10. bis 21.10.2020 anordnete, da er zuvor mit einem bestätigten COVID-19-Fall in Kontakt gekommen war. In der Quarantäneanordnung heißt es u.a.: „Es ist in dieser Zeit untersagt, ihre Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamtes zu verlassen. Ferner ist es ihnen in dieser Zeit untersagt, Besuch von Personen zu empfangen, die nicht Ihrem Haushalt angehören.“ Der Arbeitnehmer informierte die Arbeitgeberin unverzüglich über die Quarantäne. Das Zeitkonto des Arbeitnehmers wurde mit acht Urlaubstagen belastet, wogegen er klagte.
Das Arbeitsgericht hatte die Klage noch abgewiesen. Die Berufung des Arbeitnehmers beim Landesarbeitsgericht Hamm hatte Erfolg.
§ 9 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG), wonach Urlaubstage bei Erkrankung des Arbeitnehmers als nicht genommen gelten, ist nach Auffassung des LAG Hamm jedenfalls analog auf den Fall einer angeordneten Quarantäne anzuwenden. Die Zeiten der Quarantäne sind daher nicht auf den Jahresurlaub anzurechnen. Die Urlaubstage müssen dem Arbeitnehmer also zu einem späteren Zeitpunkt nachgewährt werden.

Die Frage, ob eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG im Fall einer angeordneten Quarantäne möglich ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Das LAG Hamm sieht im Fall einer angeordneten Quarantäne eine Vergleichbarkeit mit der Situation eines arbeitsunfähig erkrankten Arbeitnehmers und ist damit anderer Auffassung als das LAG Düsseldorf (Urt. v. 15.10.2021, Az. 7 Sa 857/21), das LAG Köln (Urt. v. 13.12.2021, Az. 2 Sa 488/21)  und weitere Instanzgerichte (Arbeitsgericht Neumünster, Urt. v. 03.08.2021, Az. 3 Ca 362b/21; Arbeitsgericht Halle, Urt. v. 23.06.2021, Az. 4 Ca 285/21; Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, Urt. v. 08.06.2021, Az. 6 Ca 6035/21). Zwar schuldet der Arbeitgeber tatsächlich keinen „Urlaubserfolg“. Der Arbeitnehmer soll aber nach § 1 BUrlG zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt werden, um ihm die uneingeschränkte Möglichkeit selbstbestimmter Nutzung seiner Freizeit zu geben. Die Quarantäne-Bestimmungen verhindern dieses abstrakt gesehen generell, da sie bestimmen, wo sich eine Person aufzuhalten hat, mit wem sie Kontakt haben darf, ob sie sich gegebenenfalls Untersuchungen unterziehen muss (äußerliche Untersuchungen, Abstriche von Haut und Schleimhäuten), mit der Folge, dass sie für diese Untersuchungen auch zur Verfügung stehen muss (siehe Quarantäne-Anordnungen bezüglich des klagenden Arbeitnehmers vom 14.10.2020). Nicht zu vernachlässigen ist dabei, dass dieser Zeitraum auch mit der Belastung verbunden ist, einen jederzeitigen schweren Ausbruch der Erkrankung erfahren zu können, unabhängig davon, ob die Quarantäne wegen eines positiven Testergebnisses des Betroffenen oder – wie bei dem klagenden Arbeitnehmer – aufgrund eines Kontaktes zu einem bestätigten Covid-19-Fall ausgesprochen wurde. Die Anordnung einer Quarantäne steht damit einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraumes diametral gegenüber, unabhängig davon, wie der einzelne Betroffene diese persönlich empfindet.

Wegen der uneinheitlichen Rechtsprechung wurde gegen das Urteil die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.
Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27.01.2022
Aktenzeichen: 5 Sa 1030/21