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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Öffentliche Arbeitgeber dürfen Risiko der Befristungskontrollklage bei Stellenbesetzung miteinbeziehen

Öffentliche Arbeitgeber dürfen Risiko der Befristungskontrollklage bei Stellenbesetzung miteinbeziehen

Die Entscheidung eines öffentlichen Arbeitgebers, nur Bewerber in die Auswahl für eine befristet zu besetzende Stelle einzubeziehen, bei denen nicht die naheliegende Möglichkeit besteht, dass eine weitere Sachgrundbefristung des Arbeitsverhältnisses die Voraussetzungen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs erfüllt, ist Teil der dem Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz (GG) vorgelagerten Organisationsentscheidung. Bei einer Sachgrundbefristung ist der öffentliche Arbeitgeber nicht verpflichtet, sein Organisationsermessen in Bezug auf die in die Auswahl einzubeziehenden Bewerber in einer Weise auszuüben, die ihn dem Vorwurf des institutionellen Rechtsmissbrauchs aussetzt.

Ein Bewerber verlangte von einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes seine Einstellung auf einer ausgeschriebene Stelle einer technischen Assistenz am Institut für Pathologie an der J-Universität W (im Folgenden Universität).

Der schwerbehinderte Bewerber war zunächst vom 19.04.2010 bis zum 31.03.2016 auf der Grundlage von insgesamt sieben befristeten Arbeitsverträgen bei dem Universitätsklinikum W (im Folgenden Universitätsklinikum) beschäftigt gewesen. Seit dem 01.04.2016 war er aufgrund eines zunächst bis zum 30.06.2019 befristeten Arbeitsvertrags mit dem nun verklagten Arbeitgeber bei der Universität beschäftigt. Mit Änderungsvertrag vom 12.06.2019 war das Arbeitsverhältnis bei der Universität bis zum 30.06.2023 befristet verlängert worden. Über die Wirksamkeit dieser letzten Befristung des Arbeitsverhältnisses streitet der Bewerber mit dem Arbeitgeber in einem gesonderten Verfahren.

Im Januar 2022 schrieb der Arbeitgeber eine Stelle für einen technischen Assistenten am Institut für Pathologie an der Universität für interne und externe Bewerber aus. Nach der Ausschreibung war die Stelle für zwei Jahre befristet mit der Option auf eine Vertragsverlängerung. Der Bewerber bewarb sich auf diese Stelle und der Leiter des Pathologischen Instituts beantragte dessen Umsetzung bei der Personalabteilung. Die Personalabteilung lehnte den Antrag auf Umsetzung des Bewerbers ab und führte zur Begründung aus, aufgrund der Vorbeschäftigungszeiten sei ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis an der Universität nicht mehr zumutbar.

Der Bewerber vertrat die Auffassung , sein Anspruch auf die begehrte Stelle folge aus Art. 33 Abs. 2 GG. Er sei der am besten geeignete Bewerber. Der Arbeitgeber dürfe sich nicht auf die lange Dauer der bereits erfolgten Befristungen berufen und nicht einwenden, das Arbeitsverhältnis mit dem Bewerber könne möglicherweise nicht mehr wirksam befristet werden, weil eine solche Kettenbefristung wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam sein könne. Die Rechtsprechung zum institutionellen Rechtsmissbrauch diene dazu, Kettenbefristungen zum Schutz der betroffenen Arbeitnehmer einzuschränken. Der Umstand, dass eine weitere Befristung möglicherweise wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam sei, könne ihm als Bewerber nicht entgegengehalten werden, mit der Folge, dass die begehrte Stelle ihm unter Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG nicht übertragen werde.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage abgewiesen, die darauf gerichtet war, den Arbeitgeber zu verurteilen, die Stelle als „technische Assistenz“ am Institut für Pathologie mit dem Bewerber zu besetzen. Die Berufung scheiterte ebenfalls. Das Bundesarbeitsgericht wies auch die Revision des Bewerbers zurück.

Ein Anspruch auf Übertragung der begehrten Stelle folgte nicht aus Art. 33 Abs. 2 GG. Es konnte dahinstehen, ob der Bewerber der am besten für die Stelle einer technischen Assistenz am Institut für Pathologie geeignete Bewerber war. Der Arbeitgeber durfte sich im Rahmen seiner Organisationsfreiheit dazu entschließen, die zu besetzende Stelle nur befristet auszuschreiben. Im Rahmen dieser Organisationsentscheidung durfte der Arbeitgeber den Bewerber von der Auswahl für die ausgeschriebene Stelle ausnehmen. Der Arbeitgeber war nicht verpflichtet, mit dem Bewerber ein weiteres befristetes Arbeitsverhältnis abzuschließen, weil die naheliegende Möglichkeit besteht, dass die Befristung wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam wäre.

Die Entscheidung, die ausgeschriebene Stelle nur befristet zu besetzen, und Bewerber vom Auswahlverfahren auszunehmen, mit denen eine weitere Befristung die Gefahr eines institutionellen Rechtsmissbrauchs begründet, war Teil der dem Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsentscheidung. Die Organisationsentscheidung, die ausgeschriebene Stelle befristet zu besetzen und nur Bewerber in die Auswahl einzubeziehen, mit denen eine Befristung nicht die naheliegende Möglichkeit eines institutionellen Rechtsmissbrauchs begründet, hielt sich im Rahmen des dem Arbeitgeber insoweit zustehenden weiten Organisationsermessens. Letztlich müssen öffentliche Arbeitgeber im Fall einer Sachgrundbefristung kein zusätzliches Risiko eingehen, das über die nach § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) typische Unsicherheit hinausgeht, ob sich der Sachgrund im Rahmen einer Befristungskontrollklage als gegeben erweist. Bei einer Sachgrundbefristung ist der öffentliche Arbeitgeber nicht verpflichtet, sein Organisationsermessen in einer Weise auszuüben, die ihn dem Vorwurf des institutionellen Rechtsmissbrauchs aussetzt. Der Personenkreis, bei dem die naheliegende Möglichkeit des Rechtsmissbrauchs besteht, ist nach der Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverträge bzw. der Anzahl der Verlängerungen nach der Rechtsprechung des Siebten Senats des BAG eindeutig abgrenzbar (vgl. Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 23.05.2028, Az. 7 AZR 16/17 und vom 26.10.2016, Az. 7 AZR 135/15). Wären öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, Bewerber aus diesem Kreis in die Auswahl für eine befristete Stelle einzubeziehen, müssten sie sich dem klar erkennbaren Risiko aussetzen, institutionell rechtsmissbräuchlich zu handeln, mit der Folge, dass die eigentlich wirksame Sachgrundbefristung unwirksam wäre.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29.02.2024

Aktenzeichen: 8 AZR 187/23