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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Unwirksame Kündigung: Erhöhte Fahrtkosten zur Erzielung anderweitigen Verdienstes

Unwirksame Kündigung: Erhöhte Fahrtkosten zur Erzielung anderweitigen Verdienstes

Spricht der Arbeitgeber eine Kündigung aus, die später vom Gericht für unwirksam erklärt wird, und hat der Arbeitnehmer zur Erzielung anderweitigen Verdienstes während des Annahmeverzugszeitraums höhere Fahrtkosten als bei fortgeführtem Arbeitsverhältnis, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Arbeitgeber, welcher auf den Ersatz dieser Fahrtkosten gerichtet ist.

Ein Arbeitnehmer verlangte von seiner Arbeitgeber die Zahlung restlicher Annahmeverzugsvergütung nach einer unwirksamen Kündigung der Arbeitgeberin, Zinsen sowie die Erstattung von Fahrtkosten für die Erzielung anderweitigen Erwerbs.

Mit Schreiben vom 13.09.2021 hatte die Arbeitgebern das Arbeitsverhältnis mit dem Mitarbeiter fristlos gekündigt. Der Mitarbeiter obsiegte im Kündigungsschutzprozess erst- und zweitinstanzlich. Mit Schreiben vom 27.06.2023 machte der Mitarbeiter umfangreiche Annahmeverzugsansprüche geltend. Während des vom 13.09.2021 bis zum 15.06.2023 dauernden Annahmeverzugs bezog der Mitarbeiter vom 13.09.2021 bis 30.11.2021 Arbeitslosengeld i.H.v. insgesamt rund 4.800 EUR. Sodann verdiente er bei einem anderen Arbeitgeber vom 01.12.2021 bis zum 15.06.2023 insgesamt rund 64.000 EUR brutto. Die Arbeitgeberin zahlte dem Mitarbeiter zunächst rund 19.000 EUR brutto Annahmeverzugsvergütung. Später zahlte sie dem Mitarbeiter weitere rund 2.600 EUR brutto Annahmeverzugsvergütung. Gestritten wurde u.a. noch über die Höhe des dem Mitarbeiter während des Annahmeverzugs zustehenden zu schätzenden Verdienstes bei der Arbeitgeberin.

Der Arbeitsweg des Mitarbeiters zu dem Arbeitsplatz bei der Arbeitgeberin betrug 13 km bis 16 km (einfache Strecke). Der Arbeitsweg des Mitarbeiters zu dem anderen Arbeitgeber, bei dem er anderweitigen Erwerb erzielte, betrug 45 km bis 46 km für die kürzeste Straßenverbindung (einfache Strecke). Der Mitarbeiter fuhr regelmäßig 57 km bis 62 km u.a. über die Autobahnen 1 und 61 (einfache Strecke). Der Mitarbeiter war der Ansicht, dass die Arbeitgeberin ihm die zusätzlichen Fahrtkosten für die Erzielung anderweitigen Erwerbs im Wege des Schadensersatzes zu ersetzen habe.

Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt.

Der Mitarbeiter konnte von der Arbeitgeberin die Zahlung weiterer rund 14.000 EUR brutto Annahmeverzugsverfügung zzgl. Rechtshängigkeitszinsen ab dem 20.o1.2024 sowie Verzugszinsen bis zum 31.05.2023 verlangen. Er hatte jedoch keinen Anspruch auf Schadensersatz gegen die Arbeitgeberin mit Blick auf die Fahrtkosten zur Erzielung anderweitigen Erwerbs.

Unabhängig davon, ob man den Ausspruch einer unwirksamen Kündigung – ggf. unter bestimmten weiteren Voraussetzungen – als Pflichtverletzung des Arbeitgebers einordnet oder nicht, stellen Aufwendungen zur Erzielung anderweitigen Erwerbs jedenfalls keinen ersatzfähigen Schaden nach Ausspruch einer Kündigung dar. Sie sind vielmehr Aufwendungen im Eigeninteresse, die der gekündigte Arbeitnehmer – im Zweifel unter Anrechnung etwaiger Steuervorteile (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Einkommensteuergesetz – EStG) – unter Umständen als Abzugsposten von dem anderweitig erzielten Erwerb geltend machen kann.

Ein Schaden – als Anspruchsvoraussetzung i.S.d. von dem Kläger geltend gemachten Anspruchs aus § 611a Abs. 1, § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – ist stets ein unfreiwilliger Nachteil, während eine Aufwendung einen grundsätzlich freiwilligen Aufwand darstellt. Die Fahrtkosten während des Annahmeverzuges hatte der Mitarbeiter freiwillig auf sich genommen; es handelte sich also um Aufwendungen. Es gab keine gegenüber der Arbeitgeberin bestehende Verpflichtung des Mitarbeiters, anderweitigen Erwerb zu erzielen. Er wählte den Arbeitsort zudem eigenverantwortlich. Aus § 11 Nr. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) oder sozialrechtlichen Pflichten gegenüber der Bundesagentur für Arbeit folgte nichts Anderes. Auf die Erzielung anderweitigen Erwerbs hat der Arbeitgeber nach Ausspruch einer unwirksamen Kündigung keinen Anspruch. § 11 Nr. 2 KSchG sieht als Rechtsfolge einer ausgeschlagenen zumutbaren Arbeitsgelegenheit lediglich eine Anrechnung des böswillig unterlassenen Verdienstes vor.

Hinzu kommt unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten, dass auch im durchgeführten Arbeitsverhältnis Fahrten zur regelmäßigen Arbeitsstätte ohne ausdrückliche abweichende Regelung nicht, etwa analog § 670 BGB, von dem Arbeitgeber zu erstatten sind. Es handelt sich um Ausgaben, die dem Privatbereich des Arbeitnehmers zuzurechnen sind, in Abgrenzung zu Fahrtkosten infolge einer unwirksamen Versetzung, über die das BAG in seinem Urteil vom 28.11.2019 (Az. 8 AZR 125/18) entschied. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, im Falle einer unwirksamen Kündigung von diesem Grundsatz abzuweichen und den gekündigten Arbeitnehmer im Verhältnis zu anderen Arbeitnehmern zu privilegieren.

Ferner sieht § 11 KSchG nach unwirksamer Kündigung – anders als § 615 Satz 2 BGB im Grundfall des Annahmeverzugs im laufenden Arbeitsverhältnis – keine Anrechnung desjenigen vor, was der Arbeitnehmer infolge des Annahmeverzugs erspart. In den Fällen des § 11 KSchG profitiert der Arbeitnehmer also anders als in anderen Konstellationen des Annahmeverzugs davon, dass der Arbeitgeber ihm ersparte Fahrtkosten nicht als Abzugsposten bei der nachzuzahlenden Vergütung nach Ablauf der Kündigungsfrist entgegenhalten kann. Umgekehrt entspricht es im Zweifel der Billigkeit wie auch den hinter der Vorschrift stehenden Vereinfachungs- und Streitvermeidungsgedanken, von der Berücksichtigung von Fahrtkosten insgesamt, also auch umgekehrt bei der Entstehung von Mehrkosten, abzusehen und es bei der steuerlichen Regelung bewenden zu lassen.

Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 24.04.2024

Aktenzeichen: 5 Ca 1149/23