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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Vereinbarung von Arbeitsentgelt bei Betriebsratstätigkeit

Vereinbarung von Arbeitsentgelt bei Betriebsratstätigkeit

Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist wirksam, wenn sie sich innerhalb eines tatsächlichen Korridors hypothetischer Betrachtung bewegt. Wird dieser Korridor verlassen, wird die Vereinbarung unwirksam. Der Umfang der Betriebsratstätigkeit kann keine Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) werden.

Ein Mitarbeiter stritt mit seiner Arbeitgeberin über die Höhe der Vergütung des Mitarbeiters für seine Zeiten der Betriebsratstätigkeit. Im Streit ist hierbei insbesondere die Berechnung der Provisionen sowie der für die Ausfallzeiten zu zahlenden Durchschnittsvergütung, das sog. Schnittgeld. Dabei begehrte der Mitarbeiter im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über die Gehaltsentwicklung von mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmern der Arbeitgeberin sowie Auskunft über seine eigene Arbeitsleistung und Vergütung im Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 01.01.2021.

Der Mitarbeiter ist bei der Arbeitgeberin als Autoverkäufer beschäftigt und seit Oktober 2009 Mitglied des Betriebsrats auf verschiedenen Organisationsstufen der Arbeitgeberin tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag des Kraftfahrzeuggewerbes Hamburg (MTV) Anwendung. Gem. § 20 Nr. 2 Satz 1 und Satz 2 MTV ist einem Angestellten, der neben dem Fixum eine Provision bezieht, ein Garantieeinkommen zu zahlen, welches aktuell ca. 4.100 EUR brutto beträgt. Nach § 21 Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 MTV besteht das Entgelt aus dem Fixum und der Provision sowie der Verkaufsprämie. Letztere werden dadurch ermittelt, dass für jeden Arbeitstag 1/250 der während der letzten 12 Monate oder des letzten Kalenderjahres gezahlten Provisionssumme und der ständigen Provision eingesetzt wird. Die Höhe des Schnittgelds hängt mithin mittelbar von der Provisionshöhe ab. Die Frage, wie die Schnittgelder im Einzelnen zu berechnen sind, hat zu diversen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien, bis hin zu einem im Jahre 2014 geführten und beendeten Rechtsstreit, geführt. Am 14.11.2014 schlossen die Parteien in diesem Rechtsstreit einen Vergleich geschlossen, in welchem sie Grundsätze der Ermittlung der Vergütung des Mitarbeiters vereinbart haben.

Der Mitarbeiter meinte, der Umfang seiner Betriebsratstätigkeit müsse bei der Provisionsberechnung stärker berücksichtigt werden. Die im Vergleich vereinbarte Schnittberechnung entspreche nicht mehr den tatsächlichen Begebenheiten, in welchen der Mitarbeiter arbeite. Der Mitarbeiter behauptete, die Provisionsdifferenz beruhe auf einer unzureichenden Ausgleichsvergütung der Arbeitgeberin für seine Ausfallzeiten für Betriebsratstätigkeiten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Auskunftserteilung abgewiesen. Die geltend gemachten Ansprüche standen dem Mitarbeiter unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die geltend gemachten Auskunftsansprüche scheiterten daran, dass die Parteien im Jahr 2014 in Bezug auf die Berechnung der Auswahlvergütung eine zulässige Einigung in Bezug auf die tatsächlichen Parameter gefunden hatten. Vor dem Hintergrund dieser Einigung erübrigten sich andere Auskunftsersuchen zum Zwecke einer anderweitigen Berechnung.

Die auf Auskunft gerichteten Anträge waren unbegründet. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 611a, 242 BGB i.V.m. §§ 37 Abs. 4, 78 S. 2 BetrVG. Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch im Wege der Stufenklage ist neben einem Auskunftsbegehren auch die Erforderlichkeit dieser Auskunft für die Erhebung eines nachgeordneten anderen Antrags (vgl. BAG, Ort. v. 22.02.2012, Az. 4 AZR 527/10, Rn. 53, m.w.N.). Letztere war hier nicht gegeben. Es fehlte an dem die Zahlungsanträge vorbereitenden Charakter. Denn die begehrten Informationen waren für die Geltendmachung der vom Kläger verfolgten Zahlungsansprüche auf einer nachgeordneten Klagestufe unerheblich.

Der Kläger stützte seine Anträge auf § 242 BGB i.V.m. §§ 37 Abs. 4, 78 S. 2 BetrVG und i.V.m. der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Diese Anspruchsgrundlage trat hier indes zurück, weil die Parteien insoweit eine Regelung vereinbart hatten, welche der allgemeinen Berechnung und der vorgelagerten Auskunft vorgeht. Denn die Parteien hatten durch den Prozessvergleich vom 14.11.2014 eine zulässige Regelung vereinbart, wie die Betriebsratsvergütung im Einzelnen zu berechnen ist. Im Besonderen hatten sich die Parteien hinsichtlich der Berechnung des Schnittgelds und der Provisionen geeinigt. Diese Regelung ist vorrangig und sollte der materiell abschließenden Regelung der künftigen, und damit auch der im Streit stehenden Zahlungen dienen.

Diese Berechnungsvereinbarung für das dem Mitarbeiter zustehende Schnittgeld und die Provisionen gem. Ziffer 1 lit b) des Prozessvergleichs ist auch wirksam. Voraussetzung für eine wirksame Einigung ist hierbei zunächst die Dispositionsfähigkeit der Parteien hinsichtlich der Konkretisierung der Berechnung der Vergütung für Ausfallzeiten wegen Betriebsratstätigkeiten. Die Dispositionsbefugnis besteht als objektive Voraussetzung der Einwilligung immer dann, wenn sich die Vereinbarung im Rahmen des rechtlich Zulässigen befindet. Dies war hier der Fall. Sie verstieß weder gegen Tarifrecht noch gegen betriebsverfassungsrechtliche Besser- oder Schlechterstellungsverbote.

Für die Frage, ob die Betriebsvergütung aufgrund der Berechnung der Provisionen und des Schnittgelds zutreffend ist, ist das Lohnausfallprinzip nach § 37 Abs. 2 BetrVG maßgeblich. Entgegen der Auffassung des Mitarbeiters findet die Regelung des § 37 Abs. 4 BetrVG insoweit keine Anwendung. Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2 BetrVG ist wirksam, wenn sie sich – wie hier – innerhalb eines tatsächlichen Korridors hypothetischer Betrachtung bewegt.

Der Mitarbeiter hatte auch keinen Auskunftsanspruch nach Anpassung des Prozessvergleichs vom 14.11.2014 gemäß § 313 Abs. 1 BGB. Für eine Berücksichtigung der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist nämlich grundsätzlich insoweit kein Raum, als es – wie hier – um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Berufung ist anhängig beim Landesarbeitsgericht Hamburg unter dem Az.: 4 Sa 41/22.

Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10.05.2022

Aktenzeichen: 3 Ca 74/21