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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Betriebsbedingte Kündigung eines kaufmännischen Leiters in einem öffentlich-rechtlichen Zweckverband

Betriebsbedingte Kündigung eines kaufmännischen Leiters in einem öffentlich-rechtlichen Zweckverband

Die Verlagerung der Aufgaben eines kaufmännischen Leiters in einem öffentlich-rechtlichen Zweckverband auf einen satzungsrechtlich neu zu bestellenden hauptamtlichen Verbandsvorsteher kann eine betriebsbedingte Kündigung bedingen. Ist eine unternehmerische Entscheidung – auch – durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers motiviert, begründet dieser Umstand für sich genommen noch keinen Rechtsmissbrauch.

Der beklagte Zweckverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, der die Wasserver- und -entsorgung im Verbandsgebiet obliegt. Er beschäftigt rund 35 Arbeitnehmer. Am 10.11.2010 hatte er mit dem damals 43-jährigen Mitarbeiter einen Anstellungsvertrag abgeschlossen, nach dem dieser mit Wirkung zum 01.01.2011 als Geschäftsführer eingestellt wurde.

Nachdem es mehrere Jahre in Folge zu wirtschaftlichen Defiziten gekommen war, kündigte der Arbeitgeber am 19.05.2020 das Anstellungsverhältnis ordentlich zum 31.12.2020 und stellte den Mitarbeiter mit sofortiger Wirkung unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei. Im Anschluss daran übertrug der Arbeitgeber die bisherigen Aufgaben des Mitarbeiters einem externen Dienstleister als Interimsgeschäftsführer. Mit Urteil vom 18.03.2021 stellte das Landesarbeitsgericht die Unwirksamkeit dieser Kündigung fest und verurteilte den Arbeitgeber, den Mitarbeiter bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Geschäftsführer weiter zu beschäftigen.

Der Arbeitgeber hatte zwischenzeitlich ein anwaltliches Gutachten zur Umgestaltung der bislang ehrenamtlichen Funktion des Verbandsvorstehers zu einer hauptamtlichen Tätigkeit in Auftrag gegeben. Das Gutachten vom 21.04.2021 endete mit der Empfehlung, einen hauptamtlichen Verbandsvorsteher zu berufen und im Gegenzug auf einen hauptamtlichen Geschäftsführer zu verzichten. Das Gutachten verwies insbesondere auf die hohe Verantwortung, die zeitliche Belastung und das Haftungsrisiko der Ehrenamtler. Außerdem hatte der Arbeitgeber eine überschlägige Überprüfung zur finanziellen Tragfähigkeit der ursprünglichen Gebührenkalkulationen der Jahre 2017 bis 2019 sowie der Jahreskalkulation 2020 in Auftrag gegeben. Der Bericht vom 26.04.2021 kam zu dem Ergebnis, dass die Gebührenkalkulationen für diese Jahre nicht auskömmlich waren und nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprachen. Die Methode des Defizitausgleichs über Darlehen und Kassenkredite sieht der Gutachter als fachlich untauglich und rechtlich fragwürdig an.

Am 10.06.2021 unterrichtete der Arbeitgeber den Personalrat über die beabsichtigte ordentliche, betriebsbedingte Kündigung des Mitarbeiters und bat um seine Zustimmung, was dieser auch umsetzte. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis des Mitarbeiters mit Schreiben vom 22.06.2021 aus betriebsbedingten Gründen zum 31.12.2021.

Der Mitarbeiter war der Ansicht, die unternehmerische Entscheidung diene nur dazu, den im Vorprozess rechtskräftig zuerkannten Weiterbeschäftigungsanspruch zu umgehen.

Das Arbeitsgericht hatte die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung. Die ordentliche Kündigung vom 22.06.2021 verstieß weder gegen § 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) noch gegen § 62 des Personalvertretungsgesetzes Mecklenburg-Vorpommern (PersVG M-V).

Die Missbrauchskontrolle der unternehmerischen Entscheidung zielt weder darauf ab, dem Arbeitgeber organisatorische Vorgaben zu machen, noch darf sie dazu dienen, die Stichhaltigkeit der Erwägungen zu prüfen, die den Arbeitgeber gerade zu dem von ihm gewählten Konzept geführt haben. Es geht in diesem Zusammenhang allein um die Verhinderung von Missbrauch. Dieser setzt voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich zulässige Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm oder des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind. Ist eine unternehmerische Entscheidung – auch – durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers motiviert, begründet dieser Umstand für sich genommen noch keinen Rechtsmissbrauch.

Zum Zeitpunkt der Kündigung hatte der Arbeitgeber bereits ernsthafte und endgültige Entscheidung getroffen, die Aufgaben der Verbandsgeschäftsführung auf einen hauptamtlichen Verbandsvorsteher zu verlagern, der in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen wird. Diese unternehmerische Organisationsentscheidung hatte bereits vor Ausspruch der Kündigung greifbare Formen angenommen. Auch die weiteren erforderlichen Schritte wurden umgehend umgesetzt. Insofern konnte die Verlagerung der Aufgaben des kaufmännischen Leiters in Person des Mitarbeiters auf einen satzungsrechtlich neu zu bestellenden hauptamtlichen Verbandsvorsteher eine betriebsbedingte Kündigung bedingen.

Der Arbeitgeber hatte seine unternehmerische Gestaltungsfreiheit nicht dazu eingesetzt, sich Vorteile zu verschaffen, die mit dem Sinn und Zweck dieser Gestaltungsfreiheit nicht zu vereinbaren sind. Der zuvor fehlgeschlagene Kündigungsversuch verschaffte dem Mitarbeiter keinen Schutz vor betrieblichen Umstrukturierungen. Der Arbeitgeber hatte im Rahmen seiner unternehmerischen Gestaltungsfreiheit eine nachvollziehbare Entscheidung zur Verlagerung der bisherigen Aufgaben des Mitarbeiters auf den nunmehr hauptamtlichen Verbandsvorsteher getroffen. Die unternehmerische Entscheidung mag durch den Vertrauensverlust zum Mitarbeiter beeinflusst worden sein. Vorrangig ging es jedoch darum, durch professionellen Sachverstand im Vorstand die Wirtschaftskraft des Verbandes zu erhalten und zu stärken. Zugleich diente die Maßnahme dazu, die im Verband ehrenamtlich Tätigen im Hinblick auf ihre zeitliche Inanspruchnahme sowie ihre Verantwortung zu entlasten. All das ist durch Sinn und Zweck der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit gedeckt und stellt sich nicht als Missbrauch dieser Gestaltungsfreiheit dar.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 14.07.2022

Aktenzeichen: 5 Sa 293/21