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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Betriebsratswahl: Verlangen von Briefwahlunterlagen setzt keine Begründung voraus

Betriebsratswahl: Verlangen von Briefwahlunterlagen setzt keine Begründung voraus

Die Pflicht des Wahlvorstands, einem Wahlberechtigten, der im Zeitpunkt der Betriebsratswahl wegen Abwesenheit vom Betrieb an der persönlichen Stimmabgabe verhindert ist, auf sein Verlangen die Unterlagen für eine schriftliche Stimmabgabe auszuhändigen oder zu übersenden, setzt keine Begründung des Verlangens durch den Wahlberechtigten voraus. Der Wahlvorstand hat die Verhinderung wegen Betriebsabwesenheit nur dann zu überprüfen, wenn sich Zweifel daran aufdrängen.

Im Betrieb einer Arbeitgeberin, die  ein Eisenbahnverkehrsunternehmen betreibt, war im Mai 2022 ein elfköpfiger Betriebsrat gewählt worden. Im Zusammenhang mit der Wahl des Betriebsrats beantragten 71 wahlberechtigte Arbeitnehmer die Aushändigung bzw. Übersendung von Briefwahlunterlagen. Von diesen richteten 23 ihr Verlangen jeweils ohne nähere Begründung per E-Mail an ein Mitglied des Wahlvorstands, welches die Briefwahlunterlagen daraufhin ohne vorherige Beschlussfassung des Wahlvorstands übersandte. Einem Arbeitnehmer konnten die Briefwahlunterlagen nicht zugesandt werden. Der Wahlvorstand wandte sich daraufhin an die Arbeitgeberin, die ihm mitteilte, dieser Arbeitnehmer liege nicht ansprechbar in einer Klinik.

In der öffentlichen Sitzung zur Stimmauszählung behandelte der Wahlvorstand die Briefwahlstimmen einzeln jeweils dahingehend, dass zunächst der Freiumschlag geöffnet, diesem sodann der Wahlumschlag sowie die Erklärung zur persönlichen Stimmabgabe entnommen und anhand der Wählerliste überprüft wurde, ob bereits eine Stimmabgabe erfolgt war. War dies nicht der Fall, wurde der Wahlumschlag geöffnet. Bei vier mit dem Schriftbild nach außen gefalteten Stimmzetteln wurden die Stimmen für ungültig befunden und die Stimmzettel von vornherein nicht in die Wahlurne eingelegt.

Am 02.06.2022 fochten die Arbeistgeberin und die betreffenden vier wahlberechtigten Arbeitnehmer die Betriebsratswahl beim Arbeitsgericht an und beantragten die Feststellung der Unwirksamkeit der Betriebsratswahl. Sie vertraten die Auffassung, die Behandlung der vier mit dem Schriftbild nach außen gefalteten Stimmzettel als ungültige Stimmen greife in unzulässiger Weise in das Wahlrecht der betroffenen Briefwähler ein. In Bezug auf einen Arbeitnehmer habe der Wahlvorstand nicht genug unternommen, um diesem die verlangten Briefwahlunterlagen zu übermitteln.

Das Arbeitsgericht wies den Antrag, die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären, ab. Das Landesarbeitsgericht gab dem Antrag auf die Beschwerde der Antragsteller hingegen statt. Das Bundesarbeitsgericht hat auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats den Beschluss des Landesarbeitsgerichts aufgehoben.

Das Landesarbeitsgericht hat dem Wahlanfechtungsantrag zu Unrecht stattgegeben. Die Betriebsratswahl war nicht anfechtbar.

Nach § 19 Abs. 1 und 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) können mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft oder der Arbeitgeber die Betriebsratswahl anfechten, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Die Wahlanfechtung muss innerhalb von zwei Wochen ab der Bekanntgabe des Wahlergebnisses erfolgen.

Die materiellen Voraussetzungen einer Wahlanfechtung lagen hier nicht vor. Weder verstieß die Übermittlung von Briefwahlunterlagen an 23 Wahlberechtigte gegen die Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 1 der Wahlordnung (WO), noch bildete die Behandlung der vier mit dem Schriftbild nach außen gefalteten Stimmzettel von Briefwählern zu Beginn der Sitzung zur öffentlichen Stimmauszählung einen Anfechtungsgrund. Ein solcher lag auch nicht in der Gestaltung des Hinweises über die Art und Weise der schriftlichen Stimmabgabe oder darin, dass einen Arbeitnehmer die von ihm verlangten Briefwahlunterlagen nicht erreicht hatten.

Es lag kein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Satz 1 WO vor. Nach dieser Vorschrift hat der Wahlvorstand Wahlberechtigten, die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind, ihre Stimme persönlich abzugeben, auf ihr Verlangen die in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 5 WO näher angeführten Unterlagen für die schriftliche Stimmabgabe (Briefwahl) auszuhändigen oder zu übersenden. Diese Pflicht zur Übermittlung der Briefwahlunterlagen setzt weder eine ausdrückliche Begründung des einzelnen Verlangens der Wahlberechtigten – und eine dahingehende Überprüfung des Wahlvorstands – noch eine Beschlussfassung des Wahlvorstands über die Aushändigung oder Übersendung voraus.

In dem Vorgehen des Wahlvorstands, das die schriftliche Stimmabgabe betrifft, und seiner Behandlung von vier Briefwahlstimmen zu Beginn der öffentlichen Sitzung zur Stimmauszählung lagen gleichfalls keine Anfechtungsgründe.

Das Landesarbeitsgericht hat außerdem zutreffend erkannt, dass vier (Briefwahl-)Stimmen vom Wahlvorstand wahlrechtskonform wegen einer nicht der Vorgabe des § 25 Satz 1 Nr. 1 WO entsprechenden Faltung der Stimmzettel als ungültig angesehen worden waren. Unrichtig gefaltete Stimmzettel – also diejenigen, bei denen die Stimmabgabe ohne Auseinanderfalten ersichtlich ist – sind ungültig. Diese Rechtsfolge gebietet der Grundsatz der geheimen Wahl. Darauf, ob der Wahlvorstand einen förmlichen Beschluss über die Ungültigkeit von auf falsch gefalteten Stimmzetteln abgegebenen Stimmen gefasst hat, kommt es regelmäßig nicht an.

Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22.01.2025

Aktenzeichen: 7 ABR 1/24