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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Kündigung nach geschmacklosem Scherz in WhatsApp-Gruppe

Kündigung nach geschmacklosem Scherz in WhatsApp-Gruppe

Grundsätzlich müssen dem Betriebsrat bekannte, einen bestimmten Kündigungsgrund betreffende Umstände im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Betriebsverfssungsgesetz (BetrVG) dem Betriebsrat nicht noch einmal mitgeteilt werden. Das gilt aber nicht für den Fall, dass der Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses eine selbständige andere Pflichtverletzung in das Verfahren einführen will.

Ein Mitarbeiter war seit 2018 im Bereich Logistik, Patiententransport der Werkfeuerwehr bei einer Arbeitgeberin beschäftigt. Im Juli 2024 hatte der Mitarbeiter in der Uniform der Werkfeuerwehr über den Außenlautsprecher eines Gerätewagens der Werkfeuerwehr den Tod seines Kollegen L. im Stil einer knapp zweiminütigen Traueransprache verkündet. Die Ansprache ließ er von einem anderen Kollegen filmen und stellte sie am gleichen Tag in eine WhatsApp-Gruppe ein, in welcher mehrere Kollegen des Mitarbeiters und auch Herr L. Mitglied waren.

Am 04.10.2024 erfuhr die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin von dem Video und ordnete eine weitere Aufklärung des Sachverhalts an. Herr L. erklärte am 09.10.2024, er habe das Video als Scherz eingeordnet. Der Mitarbeiter, der sich vom 30.09. bis 20.10.2024 zunächst in einer „Freiwoche“ und dann im „frei“ befand, erklärte bei seiner Anhörung am 21.10.2024, die Kollegen der WhatsApp-Gruppe spielten sich öfter entsprechende Späße und teilten diese untereinander.

Mit E-Mail vom 25.10.2024 hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses an. Dieser widersprach den Kündigungen noch am gleichen Tag. Mit Schreiben vom 30.10.2024 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis fristlos und hilfsweise fristgemäß. Gegen die Kündigungen hat der Mitarbeiter Kündigungsschutzklage erhoben. Er war u.a. der Ansicht, die Arbeitgeberin habe die zweiwöchige Frist des § 626 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht eingehalten. Schließlich fehle es an einem Kündigungsgrund, denn er habe das Video während seiner Arbeitspause gedreht.

Die Arbeitgeberin war der Ansicht, sie habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Die Anhörung sei wegen der Abwesenheit des Mitarbeiters nicht früher möglich gewesen. Außerdem machte die Arbeitgeberin während des Kündigungsschutzprozesses geltend, der Mitarbeiter habe für die Videoaufnahme das Fahrzeug von der eigentlich vorgesehenen Einsatzposition in das Feuerwehrhaus umgeparkt. Ein zuvor dort abgestelltes Fahrzeug habe er vorher entfernt. Er habe hierdurch die Einsatzbereitschaft der Werkfeuerwehr gefährdet.

Das Arbeitsgericht hatte die Unwirksamkeit der Kündigungen festgestellt und die Arbeitgeberin zur Weiterbeschäftigung verurteilt. Auf die Berufung der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung bestätigt.

Die fristlose Kündigung der Arbeitgeberin war unwirksam. Es fehlte an einem wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB.

Der Mitarbeiter hatte das Video während seiner Arbeitspause gedreht. Einen Verstoß gegen die Pflicht zur Erbringung seiner Arbeitsleistung hat er daher nicht begangen. Zwar hatte der Mitarbeiter mit dem Inhalt des Videos – der „Traueransprache“ – seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Arbeitgeberin (§ 241 Abs. 2 BGB) verletzt. Denn zum schützenswerten Interesse der Arbeitgeberin gehört auch die Wahrung des Betriebsfriedens, also eines reibungs- und störungsfreien Betriebsablaufs. Allerdings war das Video erkennbar nur als geschmackloser „Scherz“ zu erkennen. Außerdem hatte der Mitarbeiter das Video ausschließlich in der WhatsApp-Gruppe mit seinen Kollegen eingestellt. Vor diesem Hintergrund war der Umstand, dass der Mitarbeiter mit dem Gerätewagen ein Betriebsmittel genutzt und bei der Aufnahme eine Uniform der Werkfeuerwehr getragen hatte, nicht geeignet, den Ruf der Arbeitgeberin zu beschädigen.

Für die Frage, ob ein wichtiger Grund an sich vorgelegen hat, war davon auszugehen, dass der Mitarbeiter den Gerätewagen nicht zuvor in die Garage umgeparkt hatte. Sollte diese Behauptung der Arbeitgeberin zutreffen, handelte es sich um einen eigenständigen und völlig anders gelagerten Pflichtenverstoß des Mitarbeiters. Selbst wenn dem Betriebsrat die Tatsache, dass der Mitarbeiter den Gerätewagen umgeparkt hatte, bekannt gewesen sein sollte, hätte ihm von der Arbeitgeberin ausdrücklich mitgeteilt werden müssen, dass sie hierauf die Kündigung stützen will. Das war nicht geschehen, sodass ein etwaiger Pflichtenverstoß durch das Umparken nicht berücksichtigt werden konnte.

Grundsätzlich müssen dem Betriebsrat zwar bekannte, einen bestimmten Kündigungsgrund betreffende Umstände im Rahmen der Anhörung nach § 102 BetrVG nicht noch einmal mitgeteilt werden. Das gilt aber nicht für den Fall, dass der Arbeitgeber im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses eine selbständige andere Pflichtverletzung in das Verfahren einführen will. Selbst wenn diese dem Betriebsrat bekannt gewesen sein sollte, scheidet ein Nachschieben dieses Kündigungsgrundes im Kündigungsschutzprozess aus, wenn dem Betriebsrat nicht mitgeteilt wurde, dass – auch auf diesen selbständigen – Kündigungssachverhalt die Kündigung gestützt werden soll.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 19.08.2025

Aktenzeichen: 1 Sa 104/25