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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Geltung des Fernmeldegeheimnisses bei erlaubter Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts

Geltung des Fernmeldegeheimnisses bei erlaubter Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts

Das Oberlandesgericht Thüringen hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren einem ehemaligen Vorstandsmitglied einen Anspruch auf Unterlassung des Zugriffs auf die Daten seines auch privat genutzten dienstlichen E-Mail-Postfaches durch den Dienstgeber zugesprochen. Der Dienstgeber habe mit seiner Einsichtnahme in das dienstliche E-Mail-Postfach, für welches auch die private Nutzung erlaubt war, sowie mit der Verarbeitung der dortigen Daten gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen. Derzeit sprechen aus Sicht des Gerichts die besseren Argumente für die Einordnung des Dienstgebers als Diensteanbieter bei Gestattung einer privaten Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts.

Im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz begehrte das ehemalige Vorstandsmitglied Unterlassung des Zugriffs der ehemaligen Dienstgeberin auf sein auch privat genutztes dienstliches E-Mail-Postfach. Das Vorstandsmitglied war seit 2002 bei der Dienstgeberin tätig gewesen. Die private Nutzung des von der Dienstgeberin  zur Verfügung gestellten dienstlichen E-Mail-Postfachs war deren Vorstandsmitgliedern ausdrücklich erlaubt. Das betreffende Vorstandsmitglied nutzte zudem seine private E-Mail-Adresse auch dienstlich.

Am 07.02.2020 kündigte die Dienstgeberin dem Vorstandsmitglied außerordentlich unter Widerruf der Vorstandsbestellung. Hierbei wurde er zur Herausgabe aller firmeneigenen Gegenstände aufgefordert. Unter Protest der Dienstgeberin entfernte er einen noch an dem Dienstrechner eingesteckten USB-Stick und nahm diesen an sich.

Das Landgericht hatte zunächst im Wege der einstweiligen Verfügung der Dienstgeberin den Zugriff auf das E-Mail-Postfach „…@….de“ ohne Zustimmung des Vorstandsmitglieds sowie eine Verarbeitung der dort enthaltenen Informationen untersagt und zudem die Dienstgeberin verpflichtet, die Verarbeitung der bereits hieraus erlangten Daten durch technische und organisatorische Maßnahmen zu beschränken. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch der Dienstgeberin hatte das Landgericht die einstweilige Verfügung aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Dem Vorstandsmitglied stehe kein Verfügungsanspruch zu. Insbesondere bestehe kein Anspruch auf Unterlassung nach §§ 44, 88 Telekommunikationsgesetz (TKG).

Mit seiner Berufung wendete sich das Vorstandsmitglied gegen das erstinstanzliche Urteil und begehrte weiterhin den Erlass der erstinstanzlich beantragten einstweiligen Verfügung. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Dem Verfügungskläger steht im einstweiligen Verfügungsverfahren ein Anspruch auf Unterlassen des Zugriffs auf die Daten seines auch privat genutzten dienstlichen E-Mail-Postfaches bei der Verfügungsbeklagten zur Seite.

Der Verfügungskläger kann seine auf eine Unterlassung des Zugriffs der Verfügungsbeklagten auf Daten seines dienstlichen E-Mail-Postfaches gerichteten Eilanträge auf §§ 44 Abs. 1, 88 TKG stützen. Denn die Verfügungsbeklagte hat mit ihrer Einsichtnahme in das dienstliche E-Mail-Postfach des Verfügungsklägers, für welches auch die private Nutzung erlaubt war, sowie mit der Verarbeitung der dortigen Daten gegen das Fernmeldegeheimnis verstoßen. Sie muss sich dabei als Diensteanbieter iSd §§ 88 Abs. 2, 3 Nr. 6 TKG behandeln lassen.

Die Frage der Anwendbarkeit des § 88 TKG auf die betriebsinterne private Nutzung von E-Mails ist stark umstritten. Die wohl (noch) herrschende Auffassung in der Fachliteratur und der Datenschutzbehörden sieht dessen Anwendungsbereich eröffnet. Gemäß § 88 Abs. 2 TKG ist jeder Diensteanbieter zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet. Diensteanbieter nach § 3 Nr. 6 TKG ist jeder, der ganz oder teilweise geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste für Dritte erbringt oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirkt.

Derzeit sprechen aus Sicht des Gerichts bei Gestattung einer privaten Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts besseren Argumente für die Einordnung des Dienstgebers als Diensteanbieter i.S.d. §§ 88 Abs. 2, 3 Nr. 6 TKG . Insbesondere waren die teilweise vorgebrachten Zweckmäßigkeitserwägungen der Gegenauffassung hinsichtlich eines aus dienstlichen Gründen erforderlichen Zugriffsrechts des Arbeitgebers auf ein persönliches E-Mail-Postfach des Mitarbeiters nicht überzeugend. Denn sofern ein Zugriff zu der dienstlichen Kommunikation des Mitarbeiters für den Dienstgeber erforderlich ist, kann er u.a. durch Veranlassung sog. Funktionspostfächer eine Abgrenzung zu der Privatsphäre des Mitarbeiters schaffen und organisatorische Maßnahmen zur Eingliederung in den betrieblichen Ablauf ergreifen.

Letztlich bedurfte es jedoch vorliegend keiner Entscheidung des Senats in Hinblick auf den vorgenannten Streit. Denn unabhängig von der vorgenannten Auseinandersetzung zur Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 88 TKG lag im streitgegenständlichen Fall eine Selbstbindung der Dienstgeberin mit Schaffung eines entsprechenden Vertrauenstatbestandes infolge der eigenen Einordnung als Diensteanbieter im Rahmen ihrer Richtlinie zur Nutzung von Internet und E-Mail vor. Hierin führt diese aus, dass sie durch das Angebot der privaten Nutzung des Internetzuganges und des E-Mail-Anschlusses zum Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen werde und somit das Fernmeldegeheimnis zu wahren habe.

Zutreffend rügte die Berufung auch, das Landgericht habe vorliegend die Reichweite des insoweit geltenden Fernmeldegeheimnisses verkannt, indem es die Daten im E-Mail-Postfach nicht mehr als Teil des Telekommunikationsvorganges ansah, weil die E-Mails in die Unternehmensabläufe einzubeziehen seien.

Gemäß § 542 Abs. 2 Satz 1 der Zivilporzessordung (ZPO) findet gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung entschieden worden ist, keine Revision statt.

Urteil des Oberlandesgerichts Thüringen vom 14.09.2021

Aktenzeichen: 7 U 521/21