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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Unwirksame Kündigung trotz grober Beleidigungen

Unwirksame Kündigung trotz grober Beleidigungen

Das Thüringer Landesarbeitsgericht hat eine außerordentliche Kündigung einer Arbeitnehmerin wegen grober Beleidigungen des Vertretungsorgans der Arbeitgeberin und von Kolleginnen für unwirksam erklärt, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der betroffenen Mitarbeiterin aufgrund vorheriger menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen (verschimmelter Kellerraum, 11 Grad Celsius, Mäuse, Mäusekot) der Blick für die Bedeutung ihrer Äußerungen verstellt gewesen sein könnte. Deshalb war trotz grober Beleidigungen der Arbeitnehmerin eine Abmahnung nicht von vornherein aussichtslos und daher nicht entbehrlich gewesen. Die Kündigung hat das Arbeitsverhältnis demgemäß nicht aufgelöst, weil sie mangels vorheriger Abmahnung unverhältnismäßig und deshalb unwirksam ist.

Es konnte offen bleiben, ob die als beleidigend titulierten Äußerungen der Mitarbeiterin über den Geschäftsführer der Arbeitgeberin und die Kolleginnen grundsätzlich geeignet waren, im Normalfall eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen. Hier konnte aufgrund besonderer Umstände, die im Wesentlichen die Arbeitgeberin zu vertreten hatte, nicht festgestellt werden, dass der Mitarbeiterin klar gewesen sein musste, die Arbeitgeberin würde dieses Verhalten nicht hinnehmen, und dass auszuschließen wäre, die Mitarbeiterin hätte nach einem entsprechenden Hinweis mit Kündigungsandrohung ihr Verhalten nicht umgestellt und die restliche Zeit des Arbeitsverhältnisses störungsfrei bewältigt.

Nachdem die Mitarbeiterin rechtskräftig in einem Rechtsstreit über eine Kündigung aus dem Jahr 2016 obsiegt hatte, musste sie nach ihrer Rückkehr ins Arbeitsverhältnis zunächst in einem verschimmelten und verdreckten Keller bei 11 Grad Celsius arbeiten. Sie musste sich auch offensichtlich unstreitige Ansprüche wie Urlaubsentgelt erstreiten. Später musste sie von ihrem Büro aus über den Hof gehen und schwere Unterlagen tragen, um die ihr angewiesenen Archivarbeiten zu bewältigen, obschon es einen weniger anstrengenden Zugang zum Archiv gegeben hätte. Die Mitarbeiterin hat diese Situation als erniedrigend und schikanös empfunden und fühlte sich von einigen Kollegen schlicht „ausgelacht“.

In einer solchen Situation kann nicht ausgeschlossen werden und ist eher naheliegend, dass einem Arbeitnehmer der Blick dafür verstellt ist, welche Bedeutung es hat, wenn er sich in der behaupteten Art gegenüber einer ehemaligen Kollegin über die Arbeit, die Vorgesetzten und Kolleginnen äußert. Aufgrund dieser besonderen Situation steht nicht mit der für eine Entscheidungsfindung erforderlichen Sicherheit fest, dass eine Abmahnung nicht den gewünschten Effekt gezeitigt hätte.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 29.06.2022
Aktenzeichen: 4 Sa 212/21