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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Vergütungszahlung während einer behördlich angeordneten Quarantäne

Vergütungszahlung während einer behördlich angeordneten Quarantäne

Wegen der gesetzgeberischen Ausgestaltung als Ausnahmetatbestand und unter Berücksichtigung der Risikoverteilung in einer Pandemie können bei einer behördlichen Quarantäneanordnung allenfalls wenige Tage einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum i.S.d. § 616 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen. Hierbei sollte als Richtgröße eine Grenze von maximal fünf Tagen angenommen werden.

Eine Mitarbeiterin war seit dem 15.12.2020 als Pflegefachkraft zu einem Gehalt von zuletzt rund 3.196 EUR brutto bei einer Betreiberin von Pflegeeinrichtungen beschäftigt. Bei einem betrieblichen Test wurde bei der Mitarbeiterin Anfang November 2021 eine Corona-Infektion festgestellt. Trotz bestehender Impfempfehlung war die Mitarbeiterin zu diesem Zeitpunkt nicht geimpft. Aufgrund behördlicher Anordnung des Gesundheitsamtes wurde der Mitarbeiterin auferlegt, im Zeitraum vom 6.11. bis zum 18.11.2021 einer häuslichen Quarantäne nachzukommen. Die Infektion der Mitarbeiterin verlief symptomlos. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum der Quarantäne legte sie nicht vor.

Die Arbeitgeberin zahlte der Mitarbeiterin daraufhin für November 2021 unter Abzug des Zeitraums vom 06.11. bis 15.11.2021 statt dem vollen Gehalt nur einen Betrag von 2.130 EUR brutto. Die Mitarbeiterin verlangte die Auszahlung des Differenzbetrages von 1.065 EUR brutto, was die Arbeitgeberin ablehnte. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung der Mitarbeiterin bestätigte das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung.

Zutreffend hatte das Erstgericht einen Anspruch der Mitarbeiterin auf Entgeltfortzahlung wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verneint. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht nur im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Die Mitarbeiterin war vorliegend jedoch symptomlos mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert. Eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit lag nicht vor. Zwar wird vereinzelt vertreten, bereits die Infektion an sich stelle auch im Falle eines symptomlosen Verlaufs einen regelwidrigen Körper- und Geisteszustand dar und habe damit Krankheitswert i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG. Von der wohl herrschenden Meinung wird demgegenüber angenommen, dass im Falle einer symptomlosen Infektion eine Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes ausscheidet.

Das Landesarbeitsgericht sah – wie das Erstgericht – auch einen Anspruch der Mitarbeiterin auf Gehaltszahlung gemäß § 616 Satz 1 BGB als nicht gegeben an. Zwar lag ein personenbedingtes Leistungshindernis vor, denn die Mitarbeiterin war wegen der durch die Virus-Infektion ausgelösten Quarantäneanordnung im streitgegenständlichen Zeitraum an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert. Eine Quarantäneanordnung wegen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus stellt nach Auffassung des Gerichts ein persönliches, nicht ein objektives Leistungshindernis dar. Die Pandemie ist zwar ein weltweites Ereignis, trotzdem verwirklicht sich bei der Anordnung einer Absonderung ein personenbezogener Gefahrenverdacht. Der Mitarbeiterin blieb aber ein Anspruch aus § 616 Satz 1 BGB trotz des Vorliegens eines subjektiven Leistungshindernisses deshalb verwehrt, weil die ihr gegenüber angeordnete Quarantäne eine verhältnismäßig erhebliche Zeit der Verhinderung darstellte.

Unerlässliche Voraussetzung für die Aufrechterhaltung eines Vergütungsanspruchs aus § 616 Satz 1 BGB ist, dass der dem Leistungshindernis zugrundeliegende Zeitraum einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum ausmacht. Wegen der gesetzgeberischen Ausgestaltung als Ausnahmetatbestand und unter Berücksichtigung der Risikoverteilung in einer Pandemie können bei einer behördlichen Quarantäneanordnung allenfalls wenige Tage einen verhältnismäßig nicht erheblichen Zeitraum i.S.d. § 616 Satz 1 BGB darstellen. Hierbei sollte als Richtgröße eine Grenze von maximal fünf Tagen angenommen werden.

Ein Zahlungsanspruch der Mitarbeiterin gegen die Arbeitgeberin aus § 56 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Infektionsschutzgesetz (IfSG) schied ebenfalls aus, denn der Arbeitgeber ist für einen Anspruch auf Entschädigung aus § 56 Abs. 1, Abs. 5 IfSG nicht passivlegitimiert (so auch schon Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschl. v. 10.10.2022, Az. 3 Ta 278/22). Dies führt – unabhängig von der Frage des eröffneten Rechtswegs – zur Unbegründetheit einer hierauf gestützten Klage gegen den Arbeitgeber.

Da nahezu sämtliche Fragen rund um die rechtliche Behandlung einer symptomlosen Infektion und einer darauf gestützten Quarantäne umstritten und bislang höchstrichterlich nicht geklärt sind, wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 08.08.2023

Aktenzeichen: 1 Sa 41/23