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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Entgeltfortzahlung bei unterlassener Impfung gegen COVID-19

Entgeltfortzahlung bei unterlassener Impfung gegen COVID-19

Ein Verschulden der Arbeitsunfähigkeit durch einen nicht geimpften Arbeitnehmer i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist nicht anzunehmen, wenn die Corona-Infektion durch die Inanspruchnahme der empfohlenen Schutzimpfung nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte verhindert werden können. Ein an COVID-19 erkrankter Arbeitnehmer ist infolge Krankheit dabei objektiv an seiner Arbeitsleistung verhindert, auch wenn er sich in Quarantäne begeben muss (Ausnahme: Homeoffice). Die erforderliche Monokausalität iSv. § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG ist gegeben, wenn die behördlich angeordnete Quarantäne Folge einer Arbeitsunfähigkeit ist.

Ein Mitarbeiter klagte gegen seine Arbeitgeber auf Gehaltszahlung für den Zeitraum 03.01.2022 bis einschließlich 12.01.2022, in dem sich der nicht gegen SARS-CoV-2 geimpfte Mitarbeiter aufgrund einer Infektion mit dem Corona-Virus und behördlicher Anordnung in Quarantäne befand. Der Mitarbeiter ist seit 2015 bei der Arbeitgeberin, einem Unternehmen der kunststoffverarbeitenden Industrie, in der Produktion beschäftigt. Eine alternative Beschäftigung des Produktionsmitarbeiters im Homeoffice war nicht möglich.

In der Verdienstabrechnung für den Monat Januar 2022 nahm die Arbeitgeberin Abzüge vor. Sie meinte, dass sie dem Mitarbeiter für den Zeitraum 03.01.2022 bis einschließlich 12.01.2022 keinen Arbeitslohn schulde, weil es an der Monokausalität der Arbeitsverhinderung fehle. Außerdem habe der Mitarbeiter die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet, da er sich nicht gegen Covid19 habe impfen lassen.

Das Arbeitsgericht hatte die Klage auf Nachzahlung der vorgenommenen Abzüge abgewiesen. Die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht war überwiegend erfolgreich.

Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall waren gegeben. Der Mitarbeiter war durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert. Er war im streitgegenständlichen Zeitraum krank. Nach den allgemeinen Grundsätzen stellt die unstreitige SARS-CoV-2-Infektion des Mitarbeiters einen regelwidrigen körperlichen Zustand und damit eine Krankheit i.S.v. § 3 EFZG dar. Inwieweit der Zustand des Mitarbeiters einer Heilbehandlung bedurfte, ist nicht maßgeblich. Unstreitig wies der Mitarbeiter außerdem – zumindest zu Beginn – Krankheitssymptome auf, wegen der er seinen behandelnden Arzt aufsuchte.

Der Mitarbeiter war infolge der Krankheit arbeitsunfähig im Zeitraum vom 03.01.2022 bis einschließlich 12.01.2022, denn er konnte aufgrund der infolge seiner Erkrankung ergangenen Anordnung der Absonderung in häusliche Quarantäne die vertraglich geschuldete Tätigkeit bis einschließlich zum 12.01.2022 nicht ausüben. Eine Beschäftigung als Produktionsmitarbeiter im Homeoffice war unstreitig nicht möglich.

Der Mitarbeiter war aufgrund der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit an der Erbringung seiner Arbeitsleistung verhindert. Dass er sich aufgrund der Ordnungsverfügung der Gemeinde vom 29.12.2021 in dem streitgegenständlichen Zeitraum in häuslicher Quarantäne befand, steht dem nicht entgegen. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss zwar grundsätzlich die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung sein (Monokausalität). Der Arbeitgeber wird mit dem Entgelt ohne Gegenleistung nur belastet, wenn der Arbeitnehmer ohne Erkrankung gearbeitet hätte. Das ist nicht der Fall, wenn die Arbeit zumindest auch aus einem anderen Grund nicht geleistet worden ist. Der Arbeitnehmer kann von dem Arbeitgeber aber Entgeltfortzahlung verlangen, wenn die behördlich angeordnete Quarantäne Folge einer Arbeitsunfähigkeit ist und nicht nur aufgrund eines Krankheitsverdachts ausgesprochen wurde. Denn in diesen Fällen ist das gesetzliche Beschäftigungsverbot lediglich Ausfluss der Erkrankung, so dass ihm keine selbständige Bedeutung zukommt. Hiernach lag die erforderliche Monokausalität der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit für die Arbeitsverhinderung vor. Die Quarantäneanordnung der Gemeinde war somit Folge der Corona-Erkrankung und der damit einhergehenden Arbeitsunfähigkeit. Das Hinzutreten der Verpflichtung zur Absonderung ließ die Monokausalität nicht entfallen.

Der Mitarbeiter war durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG traf. Dem steht nicht entgegen, dass sich der Mitarbeiter trotz der öffentlichen Empfehlung einer Schutzimpfung und der bestehenden Impfmöglichkeiten nicht gegen das Corona-Virus impfen ließ. Es ließ sich nicht feststellen, dass das Unterlassen der empfohlenen Schutzimpfung für die Corona-Infektion und die Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters ursächlich war, denn es war auch zum Zeitpunkt der Corona-Infektion des Mitarbeiters mit sog. Impfdurchbrüchen und symptomatischen Corona-Infektionen bei vollständig geimpften Personen zu rechnen. Dies galt in besonderem Maße wegen der steigenden Zahl der Infektionen mit der Omikron-Variante, die im Zeitraum der Erkrankung des Mitarbeiters bereits die Hälfte der Corona-Infektionen ausmachte.

Das Landesarbeitsgericht ließ Revision zum Bundesarbeitsgericht für die Arbeitgeberin zu, da sich bei der Frage des Entgeltfortzahlungsanspruchs des nicht gegen SARS-CoV-2 geimpften Mitarbeiters im Zusammenhang mit der ergangenen Quarantäneanordnung entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24.08.2023

Aktenzeichen: 15 Sa 1033/22