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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Fristlose Kündigung wegen nicht deklarierter Kaffeepause von 10 Minuten

Fristlose Kündigung wegen nicht deklarierter Kaffeepause von 10 Minuten

Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die fristlose Kündigung einer Angestellten wegen einer nicht deklarierten Kaffeepause von mindestens 10 Minuten bestätigt. Ausschlaggebend sei nicht der vergleichsweise geringe Schaden, sondern der entstandene Vertrauensverlust.

Eine am 17.03.1959 geborene, verheiratete Mitarbeiterin war seit 2013 vollzeitig zu einem Stundenlohn von zuletzt 11,11 EUR brutto als Raumpflegerin bei einem Arbeitgeber, der ca. 50 Arbeitnehmer beschäftigt, angestellt. Die Mitarbeiterin ist mit einem Grad der Behinderung von 100 schwerbehindert.

Zur Erfassung der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer unterhält der Arbeitgeber ein elektronisches Arbeitszeiterfassungssystem. Die Arbeitnehmer sind angewiesen, sich zu Beginn ihrer Arbeitszeit ein- und bei Beendigung wieder auszustempeln. In Anspruch genommene Pausenzeiten haben sie ebenfalls festzuhalten, indem sie sich zu Beginn der Pause aus- und bei Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit wieder einstempeln.

Am 08.10.2021 loggte sich die Mitarbeiterin bei Aufnahme ihrer Tätigkeit um 07:20 Uhr über das Zeiterfassungssystem ein und bei Beendigung um 11:05 Uhr wieder aus. Gegen 08:30 Uhr besuchte sie an diesem Morgen für mindestens 10 Minuten das gegenüber dem Betrieb liegende Café und traf sich dort mit einer weiteren Person zum Kaffeetrinken. Unmittelbar vor der Arbeitsunterbrechung hatte die Mitarbeiterin Arbeitskolleginnen gegenüber erklärt, dass sie in den Keller gehe. Ob sie das tatsächlich getan hat oder sich unmittelbar in das Café begeben hat, war streitig. Die Mitarbeiterin bediente das Arbeitszeiterfassungssystem weder bei Verlassen des Betriebs, noch bei Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit. Den Café-Besuch beobachtete der Arbeitgeber gegen 8:30 Uhr von seinem Auto aus. Durch einen Telefonanruf im Betrieb erfuhr er, dass die Mitarbeiterin sich nicht im Zeiterfassungssystem  ausgeloggt hatte.

Nachdem die Mitarbeiterin in den Betrieb zurückgekehrt war, konfrontierte der Arbeitgeber sie mit seinen Beobachtungen. Den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges wies die Mitarbeiterin zurück und beteuerte, den Betrieb nicht verlassen, sondern sich im Keller aufgehalten zu haben. Auf den Vorhalt des Arbeitgebers, dass er die Mitarbeiterin persönlich in dem Café beobachtet habe, erklärte diese, dass sich der Arbeitgeber irren müsse. Erst nachdem der Arbeitgeber ankündigte, der Mitarbeiterin Beweisfotos auf seinem Mobiltelefon zeigen zu wollen, gab diese zu, den Betrieb verlassen zu haben und sich zur Pause weder aus- noch wieder eingeloggt zu haben und damit eine Pflichtverletzung bei der Arbeitszeiterfassung begangen zu haben.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin am 27.10.2021 außerordentlich fristlos. Die von der Mitarbeiterin dagegen erhobene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht ab. Auf die Berufung der Mitarbeiterin bestätigt das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers vom 27.10.2021 war wirksam und hat das Arbeitsverhältnis aufgelöst. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses i.S.v. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) war gegeben.

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen. Dies gilt für den vorsätzlichen Missbrauch einer Stempeluhr ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausstellen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und missbraucht der Arbeitnehmer wissentlich und vorsätzlich das dafür bereitgestellte Arbeitszeiterfassungssystem, so stellt dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Arbeitgeber (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.12.2018, Az. 2 AZR 370/18).

Die Mitarbeiterin hatte hier unstreitig jedenfalls am 08.10.2021 ihren Arbeitsplatz für mindestens 10 Minuten verlassen, ohne das von dem Arbeitgeber installierte Zeiterfassungssystem zu betätigen, um in dem dem Betrieb gegenüberliegenden Café einen Kaffee zu trinken. Von dem Arbeitgeber nach ihrer Rückkehr darauf angesprochen, hatte die Mitarbeiterin, wie sie selbst auf Nachfrage in der Verhandlung vor der Berufungskammer nochmals bestätigte, zunächst geleugnet, an diesem Morgen während ihrer Arbeitszeit in dem Café gewesen zu sein. Auch auf den Vorhalt des Arbeitgebers, dass er die Mitarbeiterin persönlich in dem Café beobachtet habe, hatte die Mitarbeiterin zunächst daran festgehalten, den Betrieb nicht verlassen zu haben, und erklärt, dass der Arbeitgeber sich irren müsse. Erst nachdem der Arbeitgeber darauf hingewiesen hatte, dass er davon Fotos angefertigt habe, hatte die Mitarbeiterin ihr Vergehen eingeräumt. Damit hatte sie schon beim Verlassen des Betriebs, ohne die Arbeitszeiterfassung zu bedienen, eine Pflichtverletzung begangen. Die Mitarbeiterin berief sich insoweit ohne Erfolg in ihrer Berufungsbegründung darauf, dass sie „nur kurz“ Kaffee trinken gewesen sei und dass es sich nur um ein einmaliges Vergehen gehandelt habe. Denn entscheidend sind weder die Dauer des Arbeitszeitbetruges noch die Häufigkeit. Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung i.S.v § 626 Abs. 1 BGB kann grundsätzlich auch vorliegen, wenn es sich nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt hat, der nur zu einem geringen wirtschaftlichen Schaden geführt hat. Denn entscheidend ist der sich mit dem Vorgehen verbundene Vertrauensverlust. Vorliegend hatte jedenfalls das Nachtatverhalten der Mitarbeiterin, indem sie in dem Personalgespräch mit dem Arbeitgeber zunächst beharrlich geleugnet hat, den Betrieb an dem streitgegenständlichen Morgen verlassen zu haben, zu einem irreparablen Vertrauensverlust geführt.

Die Mitarbeiterin hatte auch vorsätzlich gehandelt. Ihr Einwand in der Berufungsbegründung, dass das Arbeitsgericht ihr zu Unrecht Vorsatz unterstellt habe, obwohl sie „schlicht vergessen habe“, sich auszuloggen, trug nicht. Ebenfalls nicht zu beanstanden war die vom Arbeitsgericht vorgenommenen Interessenabwägung. Ausgehend davon war eine Abmahnung im Streitfall entbehrlich.

Vorliegend war es für die Mitarbeiterin erkennbar ausgeschlossen, dass der Arbeitgeber die von ihr begangene Pflichtverletzung hinnehmen wird. Zwar stand vorliegend nur ein einmaliger Arbeitszeitbetrug von mindestens 10 (und maximal 30 Minuten) fest. Unabhängig davon, ob man bei einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne einer bewussten Falschdokumentation von Arbeitszeit grundsätzlich zunächst eine Abmahnung verlangt, konnte die Mitarbeiterin aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles vorliegend mit vertretbaren Überlegungen nicht davon ausgehen, dass der Arbeitgeber ihr Verhalten hinnehmen werde. Denn sie hatte nicht nur ihre Arbeitszeit falsch erfasst, sondern den Arbeitgeber, der – um Aufklärung bemüht – der Mitarbeiterin Gelegenheit zur Stellungnahme geben wollte, in diesem Gespräch angelogen, um ihre Tat nachhaltig zu vertuschen.

Angesichts der Schwere der Pflichtverletzung und des durch sie bewirkten Vertrauensverlusts war es dem Arbeitgeber nicht zumutbar, die Mitarbeiterin auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Die gesetzliche Kündigungsfrist hätte bei der mehr als 8-jährigen Betriebszugehörigkeit der Mitarbeiterin drei Monate zum Monatsende betragen. Auch die beanstandungsfreie Betriebszugehörigkeit von neun Jahren und das Lebensalter der Mitarbeiterin sowie ihre Schwerbehinderung führten angesichts des mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruchs nicht zu einer Interessenabwägung zu ihren Gunsten.

Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27.01.2023

Aktenzeichen: 13 Sa 1007/22