Rechtsanwalt Dr. von Harbou

Vertrauen ist eine unverzichtbare Voraussetzung für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Geben Sie mir die Gelegenheit, Sie von mir und meinen Fähigkeiten zu überzeugen. Gerne vereinbare ich mit Ihnen einen ersten Termin, in dem wir Ihr Anliegen besprechen und ich Sie anschließend über die rechtlichen Möglichkeiten, Erfolgsaussichten, Risiken und Kosten informiere.

Geschäftszeiten

Montag - Freitag 09:00 -18:00 Uhr
Samstag - Sonntag Geschlossen

Aktueller Rechtsblog

Top
Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Urlaubsabgeltung und Verjährung vor EuGH-Entscheidung

Urlaubsabgeltung und Verjährung vor EuGH-Entscheidung

Der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzugelten, unterliegt der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist beginnt in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Endete das Arbeitsverhältnis vor der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 06.11.2018 (Az. C-684/16) und war es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar, Klage auf Abgeltung zu erheben, konnte die Verjährungsfrist nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen.

Die Betreiberin einer Flugschule beschäftigte seit Juni 2010 einen Arbeitnehmer als Ausbildungsleiter, ohne ihm seinen jährlichen Urlaub von 30 Arbeitstagen zu gewähren. Am 19.10.2015 verständigten sich Arbeitgeberin und Mitarbeiter darauf, dass der Mitarbeiter in der Folgezeit als selbstständiger Dienstnehmer für die Arbeitgeberin tätig werden sollte. Mit einer im August 2019 erhobenen Klage verlangte der Mitarbeiter u.a. Abgeltung von Urlaub aus seiner Beschäftigungszeit vor der Vertragsänderung. Die Arbeitgeberin erhob die Einrede der Verjährung.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Mitarbeiters gab das Bundesarbeitsgericht der Klage überwiegend statt. Die Arbeitgeberin musste den Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2014 i.H.v. rund 37.400 EUR in abgelten. Bezogen auf Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 blieb die Revision hingegen erfolglos.

Das Bundesarbeitsgericht hat bereits mit Urteil vom 20.12.2022 (Az. 9 AZR 266/20) entschieden, dass Urlaubsansprüche verjähren können, die dreijährige Verjährungsfrist jedoch erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Hat der Arbeitgeber diesen Mitwirkungsobliegenheiten nicht entsprochen, kann der nicht erfüllte gesetzliche Urlaub aus möglicherweise mehreren Jahren im laufenden Arbeitsverhältnis weder nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verfallen noch nach § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verjähren und ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.

Der Urlaubsabgeltungsanspruch unterliegt seinerseits der Verjährung. Die dreijährige Verjährungsfrist für den Abgeltungsanspruch beginnt in der Regel am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet, ohne dass es auf die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten ankommt. Die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bildet eine Zäsur. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist anders als der Urlaubsanspruch nicht auf Freistellung von der Arbeitsverpflichtung zu Erholungszwecken unter Fortzahlung der Vergütung gerichtet, sondern auf dessen finanzielle Kompensation beschränkt. Die strukturell schwächere Stellung des Arbeitnehmers, aus der der EuGH die Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers bei der Inanspruchnahme von Urlaub ableitet, endet mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Bei einer verfassungs- und unionsrechtskonformen Anwendung der Verjährungsregelungen kann die Verjährungsfrist nicht beginnen, solange eine Klageerhebung aufgrund einer gegenteiligen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zumutbar ist. Von dem Mitarbeiter konnte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19.10.2015 nicht erwartet werden, seinen Anspruch auf Abgeltung des bis dahin nicht gewährten Urlaubs aus den Jahren 2010 bis 2014 gerichtlich durchzusetzen. Das Bundesarbeitsgericht ging zu diesem Zeitpunkt noch davon aus, dass Urlaubsansprüche mit Ablauf des Urlaubsjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums unabhängig von der Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten automatisch verfielen. Erst nachdem der EuGH mit Urteil vom 06.11.2018 (Az. C-684/16 – Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften) neue Regeln für den Verfall von Urlaub vorgegeben hatte, war der Mitarbeiter gehalten, Abgeltung für die Urlaubsjahre von 2010 bis 2014 gerichtlich geltend zu machen.

Demgegenüber ist der Anspruch des Mitarbeiters auf Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2015 verjährt. Schon auf Grundlage der früheren Rechtsprechung musste der Mitarbeiter erkennen, dass die Arbeitgeberin Urlaub aus diesem Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, abzugelten hatte. Die dreijährige Verjährungsfrist begann deshalb Ende des Jahres 2015 und endete mit Ablauf des Jahres 2018. Der Mitarbeiter hat die Klage erst im Jahr 2019 erhoben.

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 31.01.2023

Aktenzeichen: 9 AZR 456/20