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Dr. Christopher von HarbouRechtsnews Voraussetzungen einer sog. echten Druckkündigung

Voraussetzungen einer sog. echten Druckkündigung

Im Fall einer sog. echten Druckkündigung aufgrund Eigenkündigungsandrohungen einer Vielzahl von Mitarbeiter/innen hat sich der Arbeitgeber grundsätzlich auch dann schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und zu versuchen die Drohung abzuwenden, wenn es zeitlich vor den Eigenkündigungsandrohungen Gespräche und Mediationen wegen eines Konflikts mit dem betroffenen Arbeitnehmer gegeben hat.

Eine Mitarbeiterin arbeitet seit Mai 2002 bei einer Arbeitgeberin, bei der regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer tätig sind und ein Personalrat gebildet ist. Die Mitarbeiterin war zunächst als Heilpädagogin und ab 2007 als Erzieherin für die Arbeitgeberin tätig. Seit 2017 ist sie Leiterin der Kindertageseinrichtung. Im Jahr 2018 gab es in der Kindertageseinrichtung eine sog. Supervisionen, die die Teambildung fördern sollten. Im September 2021 beschwerten sich Mitarbeiter/innen beim Bürgermeister der Arbeitgeberin hinsichtlich des Führungsstils der betreffenden Mitarbeiterin und des Umganges mit den Mitarbeiter/innen. Gegenstand der Beschwerden waren u.a., dass die Mitarbeiterin zu spät komme, sich nicht an Arbeitszeiten halte, keine Arbeitszeitnachweise führen und private Dinge während der Arbeit erledigen würde; beim Urlaub bestünde die Mitarbeiterin auf starre Urlaubsplanung, würde sich selbst aber nicht daran halten.

Am 22.9.2021 fand zwischen den Beteiligten ein Gespräch statt. Gegenstand des Gespräches waren insbesondere die Minusstunden der Mitarbeiter/innen und die Nichterbringung von Gruppenarbeit durch die betreffende Mitarbeiterin. Am 11.11.2021 gab es einen Team- Workshop. Ziel des Workshops war die Erarbeitung einer Struktur und Regeln für die künftige Zusammenarbeit. Ein Mediationsverfahren fand am 17.01.2022 statt. Der Termin wurde nach einer halben Stunde abgebrochen. Im Anschluss daran soll eine nicht näher benannte Anzahl an Mitarbeiter/innen Eigenkündigungen angedroht haben. Die Arbeitgeberin hat daraufhin eine suggestive Fragen beinhaltende Umfrage mit sämtlichen Mitarbeiter/innen durchgeführt. Diese sind aufgefordert worden das Fehlverhalten der kritisierten Mitarbeiterin aufzuzeigen.

Die Mitarbeiterin erkrankte ab dem 18.01.2022 arbeitsunfähig. Während der andauernden Arbeitsunfähigkeit stellte die Arbeitgeberin die Mitarbeiterin unter Fortbezahlung der Vergütung frei. Die Arbeitgeberin hörte den Personalrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung der Mitarbeiterin an. Dieser stimmte zu. Mit Schreiben vom 14.03.2022 kündigte die Arbeitgeberin sodann das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

Die Mitarbeiterin klagte gegen die Kündigung und meinte, es bestehe kein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Die hohen Voraussetzungen einer sog. Druckkündigung lägen nicht vor.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt und erklärte die Kündigung für unwirksam.

Es lag kein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für die fristlose Kündigung vor. Ebenso lag kein Kündigungsgrund i.S.d. § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für eine ordentliche Kündigung vor. Konkrete Pflichtverletzungen, die auch ohne Ausspruch einer vorherigen Abmahnung, eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, hatte die Arbeitgeberin nicht dargelegt und sich auch nicht darauf berufen. Gleichermaßen hatte die Arbeitgeberin keinen verhaltens- oder personenbedingten Grund i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG aufgezeigt oder sich auf einen solchen berufen.

Auch die Voraussetzungen einer sog. echten (außerordentlichen) Druckkündigung lagen nicht vor. Eine solche ist gegeben, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Fehlt an einer solchen objektiven Rechtfertigung der Drohung (d.h. es liegt kein Grund i.S.d. § 626 BGB vor bzw. im Rahmen ordentlicher Kündigung kein Kündigungsgrund i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG), so kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. An die Zulässigkeit einer sog. „echten Druckkündigung“ sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Der Arbeitgeber hat sich in diesem Fall zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden kann und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohen, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei ist jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die Schäden abzuwenden. Zu berücksichtigen ist hierbei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt hat (vgl. BAG, Urt. v. 18.07.2013, Az. 6 AZR 420/12).

Die Arbeitgeberin hatte hier jedoch keinen Versuch unternommen sich nach den Eigenkündigungsdrohungen schützend vor die betreffende Mitarbeiterin zu stellen. Das Gegenteil war vielmehr der Fall: Nachdem das Mediationsgespräch abgebrochen werden musste und anschließend eine nicht näher benannte Anzahl an Mitarbeiter/innen Eigenkündigungen angedroht haben sollen, hatte die Arbeitgeberin eine suggestive Fragen beinhaltende Umfrage mit sämtlichen Mitarbeiter/innen durchgeführt. Die Mitarbeiter/innen waren mit dem Fragebogen aufgefordert worden, das Fehlverhalten der betreffenden Mitarbeiterin aufzuzeigen.

Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 13.07.2022

Aktenzeichen: 2 Ca 199/22