Elektronische Entgeltabrechnungen zum Abruf durch Arbeitnehmer
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Diese Verpflichtung kann er grundsätzlich auch dadurch erfüllen, dass er die Abrechnung als elektronisches Dokument zum Abruf in ein passwortgeschütztes digitales Mitarbeiterpostfach einstellt.
In einem Konzern, dem ein Einzelhandelsunternehmen angehört, regelt eine Konzernbetriebsvereinbarung über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs vom 07.04.2021, dass alle Personaldokumente, insbesondere Entgeltabrechnungen, über einen externen Anbieter in einem digitalen Mitarbeiterpostfach bereitgestellt werden und von den Beschäftigten über einen passwortgeschützten Online-Zugriff abrufbar sind. Sofern für Beschäftigte keine Möglichkeit besteht, über ein privates Endgerät auf die im digitalen Mitarbeiterpostfach hinterlegten Dokumente zuzugreifen, hat der Arbeitgeber zu ermöglichen, die Dokumente im Betrieb einzusehen und auszudrucken. Auf Grundlage der Konzernbetriebsvereinbarung stellte das Einzelhandelsunternehmen ab März 2022 Entgeltabrechnungen nur noch elektronisch zur Verfügung. Dem widersprach eine bei dem Einzelhandelsunternehmen beschäftigte Verkäuferin. Sie verlangte, dass ihr die Abrechnungen weiterhin in Papierform übersandt werden. Als die Arbeitgeberin dies verweigerte, klagte die Mitarbeiterin beim Arbeitsgericht.
Das Landesarbeitsgericht hatte der Klage, mit der die Mitarbeiterin die Erteilung der Entgeltabrechnungen begehrte, stattgegeben. Es hatte angenommen, die Entgeltabrechnungen seien der Mitarbeiterin durch Einstellen in das Online-Portal nicht ordnungsgemäß erteilt. Bei Entgeltabrechnungen handele es sich um zugangsbedürftige Erklärungen. Ein digitales Mitarbeiterpostfach sei nur dann als Empfangsvorrichtung geeignet, wenn der Empfänger es – anders als die Mitarbeiterin Streitfall – für den Erklärungsempfang im Rechts- und Geschäftsverkehr bestimmt habe.
Auf die Revision der Arbeitgeberin entschied das Bundesarbeitsgericht anders und verwies den Fall zurück an das Landesarbeitsgeirchts zur erneuten Entscheidung.
Erteilt der Arbeitgeber Entgeltabrechnungen, indem er diese in ein digitales Mitarbeiterpostfach einstellt, wahrt er damit grundsätzlich die von § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO vorgeschriebene Textform. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Abrechnung seines Entgelts ist eine sog. Holschuld, die der Arbeitgeber erfüllen kann, ohne für den Zugang der Abrechnung beim Arbeitnehmer verantwortlich zu sein. Es genügt, dass er die Abrechnung an einer elektronischen Ausgabestelle bereitstellt. Hierbei hat er den berechtigten Interessen der Beschäftigten, die privat nicht über die Möglichkeit eines Online-Zugriffs verfügen, Rechnung zu tragen.
Die in der Konzernbetriebsvereinbarung im Rahmen des § 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) geregelte digitale Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen greift nicht unverhältnismäßig in die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer ein.
Das Bundesarbeitsgericht war jedoch an einer abschließenden Entscheidung gehindert, weil bisher keine Feststellungen dazu getroffen wurden, ob die Einführung und der Betrieb des digitalen Mitarbeiterpostfachs in die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats fallen.
Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 28.01.2025
Aktenzeichen: 9 AZR 48/24